Tom Haydn und Andy Blüml präsentierten "Lieder-liches mit Gitarre"

anlässlich der Buchpräsentation "erlebte musik" in Balm am 4. November 2006
von Christel Amberg-Wiegand
 

Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren haben wir Tom in Fürth kennen gelernt und jede Prophezeiung für den heutigen Abend hätten wir mindestens milde belächelt. Seinerzeit mit dem Haydn-singt-Heller Programm mit großem Besteck und später mit den Pikanterien beim musikalischen Einmaleins mit Drei hat er sich selbstbewusst Gehör verschafft, damit nachdrücklich meine Musikordnung aufgemischt und ist nicht mehr gewichen.

Heute Abend möchten er und Andy Blüml neue Wege ausprobieren und sich gleichzeitig an vertrauten festhalten. Das Leben ist zum Leben da! Ich stimme der Textzeile des Openers aus vollem Herzen zu! Zwischen dem Gestern, Heute und Morgen spannen sie den Bogen.

Tom hat das Schwungrad wieder angeworfen, die Unruhe rausgelassen. Die Rückbesinnung auf seine musikalischen Wurzeln gelingt ihm glaubhaft und echt. Er ist ein Rückwärtsgewandter in Vorwärtsbewegung. Menschen und Zeit liefern Themen genug, man muss nur aufmerksam zuhören und zuschauen, Fragen stellen und Antworten suchen. In seinen neuen Liedern geht’s um Schnorrertypen und Draufzahlersymptomatik, weingeschwängerte Luft voller unerfüllter Wünsche, den Preis der Gier und die Anmut in „Viel zu weit weg“ tut an allen Nervenenden weh und gut. Auf jeden Fall leuchtet er ins Innere, legt Gefühle und Gedanken offen dar und erhofft angenommen zu werden, offenes Herz, volles Risiko. Wir teilen vom ersten Moment an alles und geben es vielfach zurück. Selbst die Kids in der ersten Reihe sitzen mucksmäuschenstill mit großen Augen und sind auf Empfang für diese besonderen Frequenzen. Hochspannung fließt. Und manchmal ist es ganz still. Wenn sie die Herzen berühren, wenn die eigenen Gedanken auf dem Rückweg sind, eine Erinnerung hervorholen von damals am Lagerfeuer hierher… ein paar Jahre später nur. Abwechslung ist jedenfalls reichlich geboten. Große Gefühlsangriffe wechseln sich mit Lach- und Spaßattacken ab. Das Publikum ist immer mitten drin. Von Toms humoriger Erzählkunst lässt sich die Hausherrin zu einem entrüsteten Zwischenruf hinreißen, „in Fürth???“ und wird prompt pariert „ich mach hier den Schmäh!“ Dass das mal klar ist! Der Kabel-TV-Bottleneck-Blues jedenfalls ist hier zwar jedermanns Genuss, aber thematisch völlig uninteressant. Zum Schutz vor Altersentimentalitäten servieren Tom und Andy Rindfleisch und Semmelkren und das Schlacht- und Hochzeitsfest der Metzgerin. Dank Andys Saitenhieben ist’s herrlich blutrünstig und dramatisch.

Das Leben in Lieder gepackt, in Notenschrift aufgeschrieben, das ist der „neue“ Tom Haydn. Und dabei hat er die alte Rock’n’Roll-Zeitschleife neu gebunden. Und seine persönliche Schatztruhe geöffnet. Darin lagen Lieder, die erst mit der Zeit reifen mussten. „Like a rolling stone/Sag, wie fühlst du dich dabei (Allan wia a Stan)“, ein Titel der Kollegen Dylan/Ambros, hat er voller Hochachtung und Einverständnis entstaubt und neu gelackt und nun ist es eine riesig tolle Andy-Nummer! Und dann eine überwältigende Version des Springsteen-Klassikers „The River“. Worte voller Gefühl, voller Verständnis, voller Übereinstimmung - ein ganzes Leben in einem Lied. Auf einmal greift Tom zur Mundi und ich möchte am liebsten unsichtbar sein, entschwinde mal eben von hier. Ein Hochamt, The Boss würde es gutheißen, da bin ich mir ganz sicher! Dazu gehört schon jede Menge Selbstvertrauen, Liebe und Achtung vor dem Urwerk. Manchmal zieht Tom diese Schuhe anderer an und ich muss sagen, sie passen ihm nicht nur, sie stehen ihm unglaublich gut. Er hat mit Andy Blüml einen genialen Begleiter, der einfach alles drauf hat und mit dem man gut in allen Gefilden spazieren gehen kann. Wie er sich in jeden Song einfindet, ihn umspielt, klangvolle Akzente setzt und für Überraschungsnoten sorgt, ist eine Wohltat, ein Festival, eine Huldigung für die Ohren. So wird ein aus der Tiefe geborgener Edelstein durch seine filigrane Virtuosität ein funkelnder Brillant.

Die Dylan-Nummer des Haydn-singt-Heller-Programms können wir auch! "Für immer jung“: alles, was wir tun müssen, ist die Sau rauslassen und – Bitte!!! - im Takt klatschen. Die Vitrinen sind gut versichert? Andys Solo kommt auf Zuruf und schwupp, ist die Sau draußen! Und André Heller selbst ist musikalisch anwesend mit "Wie mei Herzschlag“ und "Wenn die Liebe geht“. Die Gitarre weint zartes, hauchdünnes Glas.

Tom gestand freimütig, wir seien Versuchskaninchen für sein neues Programm. Ja, hochverehrter Herr Haydn, diese Möhren sind aber auch lecker!!! Tom und Andy lassen Fußabdrücke, Klänge in den Wänden zurück, in dem alten Holz, dem warmen Boden, das alles atmet ab jetzt ein gehöriges Stück Haydn-Blüml. Und wartet auf Wiederholung. Unbedingt. Das Leben ist zum Leben da!

Es folgten ein paar in Nacker Rotem und Weißen getränkte Stunden. Ohne Risiken und ohne Nebenwirkungen aber for members only….