15.08.2013
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Tom Haydn - "Best of Haydn" am Rheingaumusikfestival
mit den Musikern Norbert Nagel (Gebläse, Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)

Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen

Tom Haydn zum Vierten

Tom Haydn gehört inzwischen zum guten Ton des Rheingau-Musikfestivals. Und das aus guten Grund: es passt einfach. Wie im Wein die Wahrheit liegt, so man sagt, so liegt auch im Haydn eine Wahrheit, vielleicht eine andere, oder doch nicht? Kommt auf den Kellermeister an oder den Blickwinkel.
Tom Haydn präsentiert ein Best-Of-Programm. Das ist einerseits ein sarkastischer Feldzug gegen inszenierte Fröhlichkeit, andererseits eine Tiefenbetrachtung menschlichen Daseins und noch andererseits ein vielleicht irrwitziger Exorzismus des Vegetarismus und Frömmigkeitismus. Ismus-Worte haben es in sich.

Es empfängt uns das schmähhafte Wien in der Art des Tom Haydn. A bisserl von dem… und dem… Er besingt das innige Wiiieeen und lässt es erstmal wirken. Und führt uns auf die falsche Fährte. Kleinkunst heißt Kleinkunst, weil es großes Geld zu verdienen gibt, das dann irgendwo Urlaub macht, die Schwindsucht kriegt, jedenfalls nicht da ist, wo es gebraucht wird, wo Tom Haydn es gern hätte. Rügen als safety place wär’ ihm lieber.

Das Publikum versteht das bestens, fühlt sich vielleicht sogar ertappt? Jedenfalls ist die Stimmung von Beginn an sehr gut, die Biertischbänke- und Zeltakustik stören nicht im Mindesten. Tom geht direkt auch Tuchfühlung. Das Publikum lässt es nur allzu gern geschehen. Die Lacher kommen an den richtigen Stellen und spontane Sympathiebekundungen parieren beide Seiten ebenso spontan wie charmant.

Tom beherrscht die Kunst der Pausen. Und schürt geschickt Erwartungen, lässt Gedanken freien Lauf, um sie lustvoll zum Platzen zu bringen. Und erntet wieder Lacher. Ich sehe förmlich die Sprechblasen über den Köpfen der Zuhörer, deren Vertonung die Drei im Handstreich genial, frech und spritzig umsetzen, als seien sie Gedankenleser und/oder Spiegelvorhalter. Ein Zwei-Mann-Orchester, das jeder feinen Nuance noch einen klingenden Farbton hinzufügt. Fein perlend wie der Sekt des Hauses, fruchtig-herb wie der beste Riesling. Ein feines Lächeln, eine gehörige Portion Übermut, wenn die Metzgerin heftig liebt oder Erklärungsversuche fürs Trauer- gemeindehopping beim Semmelkrenbaatz zu falschen Tränen verführt.

Allein schon wie Tom seine Worte förmlich moduliert, seine theatralische Gestik, die Blicke verraten ihn als Chanson-Kaberettisten. Besser noch: Kammermusiker unter den Kabarettisten wie einst ein Kritiker schrieb. Er ist als Verführer ganz ganz nah, ganz echt. Die Intensität seiner Interpretation macht mich manchmal atemlos, so genau trifft er den Punkt.
Der tägliche Umgang mit dem Tod in Form seiner zweiten Berufung als Epitaphienkünstler bringt nun mal den Tod in den Alltag und so seine Gedanken mit. Schließlich ist auch das eigene Leben endlich. Reinkarnieren wäre toll, bloß als was? Eintagsfliege oder Suppenschildkröte wäre blöd. Mit ordentlich Hall auf der Stimme klingt es jedenfalls schön schaurig, wenn der Totengräber seinen Berufsstand bejaht. Ja, das Älter werden hat es in sich. Wenn die Männer alt sind klingt wenig ermutigend und ist selbstverständlich zu Selbstheilungszwecken und nur aus therapeutischen Gründen entstanden. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie bloß nicht den Künstler! Der hat eh schon seine liebe Not mit seinen Frühlingsgefühlen! Wählt noch zwischen Nordpol und Orient als Zufluchtsort.

Die zweite Hälfte beginnt mit einem beschwingt süffigen Intro. Der Voyeur erwartet uns zum Schauen. Und setzt mit Wahnsinn die Fantasien des männlichen Publikums in Gang. Oder des weiblichen. Wer weiß das schon. Das Orchester jedenfalls löscht vorsichtshalber und entflammt es dann doch wieder - das lodernde Feuer.

Für ein Lied wird Tom auch politisch und das höchst unterhaltsam und scharfsinnig. Fragt er doch ganz naiv, was denn nun der Obama kann? Reimt und rappt drauflos, dass es eine Freude ist. Und auch das steht ihm und dem Orchester ungemein gut zu Gesicht. Die Musik macht den Text, der Text macht die Musik. Es braucht tatsächlich nur zwei Gitarren und Tasten, um den Wirkungsgrad des Obama-Reggaes zu vervielfachen.

Dann ist Tom wieder bei sich und seinem seelischen Status Quo. Tut seine Tierliebe tiefenpsychologisch reflektieren, ebenso wie er die Ehe als Biotop der Gemeinsamkeitsverweigerer abhandelt, wo die Sprachlosen und die Befindlichkeitsverarmten ein trostloses Dasein fristen. Man(n) macht sich halt so seine Gedanken. Gott sei Dank ist das Resultat seiner Überlegungen dann doch versöhnlich, wenn er feststellt, dass für die Sozialkomponente das Zweisein doch besser ist. Wie sollen sonst diese Art soft skills erworben und erhalten werden? Geh mir net verlorn siegt dann doch über die Kosten-Nutzen-Rechnung. Denn das Leben als Single muss man sich schönreden bis zur Verleugnung der Realität.

Ach wie liebe ich Toms Liedermacherei. Es fühlt sich so gut an, so weich, so herrlich unbeschwert, so sehnsüchtig. „Sommer lass mich spüren, dass ich lebe und bin“. Ist das nicht wunderbar? „Schmeiß mich in die Luft, lass mich fühlen, dass ich lebe“. Auf Herrn Blümls Gitarre lässt sich genießerisch in die Luft gucken, ein bisschen verträumen, ein bisschen versäumen. Schön ist das. Weil, eine alte Schamanenweisheit sagt es, es liegt an jedem selbst, jeden Tag aufs Neue, zu entscheiden, welchen Koffer er beim Aufstehen zu nehmen gedenkt um in den Tag zu gehen. Denn: Das Leben ist leicht, wenn man es leicht nimmt.

Das Publikum ist hochgradig begeistert. Auch das Paar, das am frühen Abend mit am Tisch saß und noch vorsichtig optimistisch war, ist sich einig: Tolles Programm, tolle Musik und wunderbare Texte. Und gut sieht er aus, der Tom Haydn, stellt sie mit Kennerblick fest. Für die Zugabe braucht es also keine besonderen Bemühungen.

Die drei Charmeure überreichen Rote Rosen, den Knef-Klassiker in Toms Textgewand und der unumstößlichen Tatsache: nicht stillhalten, nicht erstarren, das Neue, unbekannte suchen und finden, und sei es auch nur, um es in Fürth zu finden. Ich freu mich jetzt auf mein erstes Glasl Riesling freut sich Tom auf den verdienten Feierabend. Doch bis es soweit ist, bekommt er lieber eins auf die Bühne gereicht, nicht dass er sich davonmacht. Lieber noch eins singen, ihr braucht auch nicht ab- und wieder aufzugehen. Bleibt einfach da. Wann, wenn ned jetzt. Wunderbar besinnlich, sich aufmachen auf das was da kommt, das Leben nicht versäumen, um nicht irgendwann zu sagen „hätt mer doch!“. Da ists mir ein kleines bisschen schwer über Nob’s Gebläse und der Applaus holt mich wieder zurück. Ein schöner, wundervoller Tom-Haydn-Abend geht zu Ende. Die Luft über dem Rheingau ist noch weich und warm, der Himmel über mir zum greifen nah und die Sterne blinken wie kleine Leuchtfeuer. Jetzt sitzen bleiben dürfen wär’ schön. Nächstes Jahr gerne wieder. Das Rheingau Musikfestival und Tom Haydn gehören einfach zusammen wie der Wein und die Wahrheit.


08.03.2013

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Tom Haydn - "Schmähschmelze" - Bürgerhaus Mühlhausen

mit den Musikern Michael Flügel (Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)

Auszug aus der RNZ (Rhein-Neckar-Zeitung):

Der österreichische Liedermacher und Chansonnier, inzwischen in Nürnberg heimisch, ist künstlerisch eine Rarität. Er gibt nicht den lustigen Unterhalter, den atemlosen Kabarettisten. Er ist ein Meister der leiseren Töne und Texte. Vieles ist mit einem romantischen Pessimismus eingefärbt, aber ohne die üblichen Wiener Dekadenz- Klischees.

Haydn ist ein großer Künstler, der sein Publikum rasch in seinen Bann zieht. Das hat er schon 2010 im Bürgerhaus vor ausverkauftem Hause und intensivem Beifall bewiesen. Sein neues Programm "Schmähschmelze“ hat viel mit seiner Person zu tun, ein authentisches Spiel mit Gedanken und Sprache.


29.07.2012

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Tom Haydn - "Schmähschmelze" am Rheingaumusikfestival
mit den Musikern Norbert Nagel (Gebläse, Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)

Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen

Tom und das Rheingau Musik Festival sind eine hervorragende Cuvée

im Sinne von das Beste zusammenführen zu einem einzigartigen charaktervollen Ganzen… leicht und spritzig, mit Charakter und gehaltvoll, so kann man’s trefflich beschreiben. Wesentlich und prägend für diesen wunderbaren Abend sind der Hof des Weingutes Diefenhardt mit seiner freundlichen stimmungsvollen Gastlichkeit, die anregende, sehr lebendige Musik, die die passende Begleitung für Toms feingeistige und tiefsinnige Texte gibt, und nicht zuletzt das offenherzige aufmerksame Publikum. Beste Grundlagen für einen ganz besonderen Abend.
Toms eigene musikalisch-künstlerische Charakterisierung lautet Chansonkabarett und so ist es die perfekte Schnittmenge von sowohl-als-auch. Das Lied ist eine Geschichte, sind Gedanken und Gefühle. Toms Form von Kabarett ist weder platt wie der Stammtisch noch Schenkel klopfend wie das Bierzelt. Kabarett ist das zwischen den Liedern. Nicht die klassische Überleitung, das wäre zu fad und nicht Haydn. Die Brücke ist voller geistreicher Purzelbäume und skurriler Wortwitzigkeiten. Tom ist nicht so bissig wie Kreissler, aber mindestens so bildhaft wie Heller. Seines ist das elegant-stilvolle Auftreten, sein Charme und seine natürliche sehr sympathische Bühnenpräsenz. Er könnte uns um den kleinen Finger wickeln ohne dass wir es merken – und tut es zuweilen auch. Sein „wunderbares Orchester“, Norbert Nagel und Andreas Blüml, spinnen das Garn mit größtem Vergnügen und wickeln kräftig mit.
Die Weltpolitik streift er nur leicht aber treffsicher, wenn die eigene Machtlosigkeit die weltweite euronale Zentrifugalkraft trifft. Mein Geld macht Urlaub klingt dabei wie ein flotter beschwingter Urlaubsflirt. Was der Obama kann oder nicht, kommt in einem locker-rockigen Groove daher, der musikalisch haarscharf und präzise das schnelle Wort transportiert. Sind die Schurken nun die Guten oder doch die Guten nur die Schurken? Er wirbelt mit den Worten umher, dass es einem ganz schwindelig wird. Aber keine Angst, Tom sorgt schon dafür, dass es uns dabei gut ergeht.
Wie kaum einer trifft er nämlich den leisen Ton, wenn er nach innen schaut, in seins und jedes anderen und driftet keineswegs in Nabelschau ab. Der Zeigefinger ist weder lehrerhaft erhoben noch beschuldigend entgegengerichtet. Der Spiegel zum Reingucken ist voller Humor und eben diesem Schmäh. Der ja nur den Charme und den Witz und das Körnchen Unwahrheit und Unechtheit liefert, damit die Wahrheit und Klarheit umso deutlicher werden. Der dazu unbedingt den österreichischen Dialekt braucht. Tom ist ein Themensammler, ein Hin-Gucker, ein Hin-Hörer, ein Geschichtensucher und –finder, ein zwischen den Zeilen Leser und beherrscht die große Kunst, vermeintlich unbegreifliches aus seiner Sicht begreiflich zu machen. Er spielt mit den Worten so nicht gewöhnlich, stellt die Wortwelt auf den Kopf, sieht das Absurde ohne es lächerlich zu machen und tut das Ganze wohldosiert in eben dieses Schmähschmelzwasser eintauchen. Das verursacht nicht gleich einen Erdrutsch, aber wer es zulässt, erfährt schon mal gehörige Erschütterungen in der Gefühlslandschaft. Zu aller erst aber vervielfacht sich die große Spielfreude um jede Frau und Mann die das Vergnügen hat, hier zu sein.
Es ist schön zu sehen, wie das Publikum sich öffnet und ganz mit ihm ist. Da und dort gehen die Köpfe zusammen, ein Lächeln auf dem Gesicht, eine zärtliche kleine Berührung, ein zärtliches Bussi oder ein großer Kuss. Ein wissendes lautes Lachen bestätigt die Geschichte von Tierlieb, Katzenbesitzer kennen sich aus. So erkennt sich mancher wieder und fühlt sich doch nicht ertappt. Stille und Mitfühlen ist fast körperlich spürbar in den Momenten, die schmerzlich, bitter aber nicht verbittert, ein wenig wehmütig die Liebe besingen. Vergangene, junge, verlorene, verschüttete… Vielleicht wird’s wieder werden, Es herbstelt, und ganz am Ende, als dritte und letzte Zugabe, Wann, wenn ned jetzt?
Er singt vom nicht-loslassen-können und von den Qualen wenn’s Frühling wird und die Frauenwelt seine Sinne überstrapaziert. Er singt von der auf Gleichgültigkeit und Gleichschaltung runtergebrochenen Denkwelt, die zur Genügsamkeit auf hohem Niveau wurde. Er feiert das wieder Single sein in perfektem Selbstbetrug, treibt Rollentausch und –klischees auf die Spitze und resümiert gegen Ende letztlich doch grundlos glücklich. Das Leben ist schön singt er uns beruhigend und ermutigend für den Nachhauseweg. Fazit eines wunderbaren Abends. Auftanken und mitnehmen, in sich einbrennen und für magere Zeiten abrufbereit halten.
Noch ist es nicht soweit, wir sind noch immer hungrig. Tom kredenzt den Knef-Klassiker Rote Rosen, sein Rübermachlied, wie er sagt, das er so unvergleichlich zu seinem gemacht hat. Und den eigenen Klassiker Die Ballade von der Metzgerin quasi als Beweis, dass das Alte längst nicht alt ist. Nobs lässt einen quietschvergnügten Hochzeitsmarsch steigen, dass es nur so ein Ohrenfest ist. Andreas erzählt quirlig und ausgelassen die Geschichte dieser Gala-Bunte-fähigen unglücklichen Liebe. Tom kokettierte ja Anfangs mit seiner Künstlerzunft, sich und seinem Publikum, das immer neues will wo das alte doch gut und schön und bewährt ist. Beweisführung gelungen. Und doch scheint noch etwas zu fehlen. Wir sind nicht einverstanden mit dem letzten Schlussakkord, es fehlt ein Abschluss, ein Ausklang, ja, es fehlt irgendwie der Punkt am Ende des Satzes. Und auch solche Lieder haben die Drei parat, denen nichts mehr hinzuzufügen ist außer ein großes herzlichen Dankeschön und viele Verbeugungen. Wann wenn ned jetzt als eindringliche stetige Erinnerung das Leben jetzt zu leben. Hätt mer doch wäre sonst eine allzu bittere Bilanz. Der ausdauernde Applaus ist quasi das Brennprogramm auf die Festplatte. Tom Haydn hat auch bei seinem dritten Gastspiel auf dem Rheingau Musik Festival die Herzen erobert und darf, nein muss!, unbedingt wieder kommen.


11.07.2012

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Tom Haydn mit Norbert Nagel - "Grundlos glücklich" in Altdorf

Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen

Wie geht Glück?

Das ist ja ein geschichtsträchtiges Kopfsteinpflaster, auf dem Bühne und Tribüne stehen. Da entdecke ich an den Mauern der Alten Universität eine Gedenktafel an den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz, der hier 1666 promovierte zum Thema: De Casibus Perplexis In Jure“, was da heißt, so hab ich’s mangels Latein gegooglet: „Über verwickelte Rechtsfälle“. Die stehen hier nicht zur Debatte, wenngleich Tom im Premierenprogramm „grundlos glücklich“ durchaus über verwickelte Gefühlsfälle im Menschheitsdasein aufs Unterhaltsamste zu philosophieren weiß. Nichts ist so verzwickt wie der Mensch und wenn einer vorgibt grundlos glücklich zu sein, da muss was faul sein. Er sinniert vortrefflich über das Leben an sich, unsere Mühen und Taktiken um uns selbst zu drehen um darin diesen komfortablen Zustand des Glücks zu finden. „Das Leben in Scherben“, um es wieder neu zusammenzusetzen. Unsterblichkeit gar? Im Glücksportfolio befinden sich dann lauter Abhängigkeiten von Äußerlichkeiten der materiellen Welt, die werbewirksam aber ohne Gewähr das G-Sein versprechen: Karriere, Kinder, Haus, Boot, Auto und Flachbildschirm. Konsumankurbeln fürs Glücksgefühl in Chacs. Aber auch der Elite-Partner ist nicht zwangsläufig Erfolg versprechend. Schwierig schwierig, dieses G-Ding. Was also tun? Sich ausprobieren, „Zwischen den Zeiten“, auch wenn die Ideale der Jugendzeit dabei flöten gehn, am-Boden-bleiber liegen sich eh nur wund! „Fliegen“ ohne Netz und doppelten Boden, Schwerkraft besiegen, das Leben wagen. Leben! Und zwar jetzt! Denn dafür isses da!
Tom hat einen neuen (alten) Weg eingeschlagen. Kommt als er selbst daher, hat das gestriegelte Bühnenoutfit gegen leger-sportlich mit Dreitagebart getauscht. Er braucht also in keine Rolle schlüpfen, sein Lieder und er sind jetzt eins zu eins. Da glaubt man ihm auch den Seitenblick auf Johnny Cash, wenn er das folkhafte „Sag an“ in countrymanier anschlägt. Tom steht seine noch ungewohnte Hauptrolle an der Gitarre souverän. Er spart nicht mit seinem wunderbar schlonzigen Charme, den er in den kleinen Geschichten neben seinen Liedern fein dosiert verstreut. Spieglein an der Wand - auch Selbstironie ist ihm nicht fremd. Kein Glücksfall, sondern jahrelange Freundschaft begründet die Zusammenarbeit mit Norbert Nagel an den Tasten und Saxophonen. Der hat hier ein Heimspiel und trotz heftiger Erkältung kann man Spielfreude nur SO buchstabieren. Es ist die reinste Veredelung von Stimmungen und Gefühlen in Musik. Dem glücklich sein ein gutes Stück näher!
„Rindfleisch mit Semmelkren“ ist schon lange eine feste Größe im Repertoire. Auch in Altdorf erzeugt die Story vom Ministranten im Ernährungsstress seine Lacher. Ohne jegliche Sentimentalität, aber ganz Singer-Songwriter-like bringt Tom dann sein persönliches Heimatgefühl rüber. Für ihn hat es Resettastenfunktion, ist Identitätsgeber und Wurzelwerk. Ein Liebeslied. Ein Stück tiefer geht „Das Meer in mir“. Ein starkes, ein feines ruhiges Lied über das Bedürfnis nach innerer Klarheit und Ruhe in einer aufgewühlten überschäumenden Welt. In Toms neuen Liedern steckt ganz viel Persönliches, da legt er das Herz auf die Zunge und muss keine Angst haben, dass es verbrennt.
Fazit des Abends: „Das Leben ist leicht“. Also doch. Die schwarzen und weißen Koffer sind überall auf der Welt gleich verteilt, entscheidend ist, welchen man sich entscheidet zu nehmen. Und das jeden Tag aufs Neue. Am Ende steht natürlich der Titelsong „grundlos glücklich“. Es gilt die Devise: nur nicht falschen Träumen hinterher jagen, was gilt ist das Hier und Jetzt! Ein Versuch isses wert!
Zugaben sind vorgesehen und werden gern angenommen. Das Publikum ist fleißiger Applausgeber. Das hier sein hat jedem so ein bisschen innere Wärme gegeben, so trotzt es sich leichter der kühlen Temperatur. Immerhin ist es trocken geblieben! Glück gehabt. Dass Tom und Norbert auch rocken können, zeigen sie später im Set von Dillberg. Die spielen ihren Deutschrock und der kommt für mich heute Abend am Besten rüber, wenn Tom dem seine Stimme gibt und Norbert das Sax rockt, dass die Glückhormone nur so überblubbern.


12.03.2011

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Der Flyer zum neuen Programm als PDF File

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Tom Haydn - Premiere "Schmähschmelze" im Stadttheater Fürth
mit den Musikern Norbert Nagel (Gebläse, Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)

Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen

Der Schmäh beginnt zu schmelzen…

… unter dieser neuen Versuchsanordnung – wie Butter in der Sonne. Tom Haydn als Chef-de-Mission mit Norbert Nagel, außer für’s Gebläse nun auch an den horizontalen schwarzen und weißen Tasten und Andreas Blüml an diversen Gitarrenkorpussen. Die beiden balancieren Tom meisterhaft durch die Klippen der neuen Texte und streuen zusätzlich jede Menge Wärme (ja, es ist ziemlich warm hier im Foyer) und Würze auf die Ohren. Was kommt denn nun zum Vorschein, wenn der Schmäh schmilzt? Ein neuer, alter Tom. Äußerlich in neuem Outfit, schneidig, das Haar locker gestylt, fesch halt. Und innen? Lass hören….

Tom ist leiser geworden und sich selbst begegnet. Liedermacherlicher - aber nicht so einer im Ökolook und Jesuslatschen, nein, einer wie er kommt im modischen Karo. Mustermutig und wortgewichtig. Es tut zuweilen ganz schön weh, aber es ist ein heilender Schmerz und am Ende singt er „Das Leben ist leicht, wenn man es leicht nimmt“. Er ist weder Berufsbetroffenheitler, noch Heul-doch-Zyniker. Er zeigt Haut ohne nackt zu sein und ohne Sezierblut. Und er wäre nicht mehr Tom Haydn, sondern ein weiterer Jammerlappen im Liedermacherbus, wenn nicht so ein bisschen Schmähsch(m)utz bliebe. Vorbei die Zeiten, in denen er „fremdes“ Liedgut zu seinem eigenen machte, hier ist jedes Wort und jede Note Eigenblut. Der ehrliche, bisweilen schonungslose Blick auf das eigene wie globale Soll und Haben, Schein und Sein, beschreibt in unnachahmlicher Weise mit diesem speziellen Tom’schen Humor gewürzt die Kulturverbrauchsgesellschaft, die Ressourcenverschwendung, die besorgniserregende Geldwirtschaft und vorschont auch nicht die eigene Berufsgattung, die auch nicht die besseren Menschen seien und für was anderes zu dumm… Es geht ums Loslassen, neue Wege suchen, gegen die Gleichgültigkeit, gegen den Verlustfrust und die Schlechtdenkerei. Seinen eigenen Sinnen vertrauen, seinem Verstand, statt sich nur zu schleichen und überall dazwischen. Täuschen und Tarnen endlich sein lassen, besser schlecht versichert leben als gar nicht. Das kommt also zum Vorschein, wenn der Schmäh schmilzt. „Schmähschmelze“ (treffender hätte Tom es nicht überschreiben können) verspricht viele viele besondere Abende. Rundum gelungen! Fein-hinter-sinnige Texte und eben solche Musik. blues-rapp-cha-cha-ballade-ballade… alles wie aus einem Guss. Chapeau, die Herren, herzlichen Glückwunsch! Ich erhebe das Glas auf euch Drei. Nachtschwärmer und andere kommet zu Hauf – es gibt Neues zu entdecken!