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15.08.2013 Fotoalbum
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Tom Haydn - "Best of Haydn" am Rheingaumusikfestival mit den Musikern Norbert Nagel (Gebläse, Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)
Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen
Tom
Haydn zum Vierten
Tom
Haydn gehört inzwischen zum guten Ton des Rheingau-Musikfestivals.
Und das aus guten Grund: es passt einfach. Wie im Wein die Wahrheit
liegt, so man sagt, so liegt auch im Haydn eine Wahrheit, vielleicht
eine andere, oder doch nicht? Kommt auf den Kellermeister an oder den
Blickwinkel. Tom
Haydn präsentiert ein Best-Of-Programm. Das ist einerseits ein
sarkastischer Feldzug gegen inszenierte Fröhlichkeit, andererseits
eine Tiefenbetrachtung menschlichen Daseins und noch andererseits ein
vielleicht irrwitziger Exorzismus des Vegetarismus und
Frömmigkeitismus. Ismus-Worte haben es in sich. Es
empfängt uns das schmähhafte Wien in der Art des Tom Haydn. A
bisserl von dem… und dem… Er besingt das innige Wiiieeen und
lässt es erstmal wirken. Und führt uns auf die falsche Fährte.
Kleinkunst heißt Kleinkunst, weil es großes Geld zu verdienen gibt,
das dann irgendwo Urlaub macht, die Schwindsucht kriegt, jedenfalls
nicht da ist, wo es gebraucht wird, wo Tom Haydn es gern hätte.
Rügen als safety place wär’ ihm lieber. Das
Publikum versteht das bestens, fühlt sich vielleicht sogar ertappt?
Jedenfalls ist die Stimmung von Beginn an sehr gut, die
Biertischbänke- und Zeltakustik stören nicht im Mindesten. Tom geht
direkt auch Tuchfühlung. Das Publikum lässt es nur allzu gern
geschehen. Die Lacher kommen an den richtigen Stellen und spontane
Sympathiebekundungen parieren beide Seiten ebenso spontan wie
charmant. Tom
beherrscht die Kunst der Pausen. Und schürt geschickt Erwartungen,
lässt Gedanken freien Lauf, um sie lustvoll zum Platzen zu bringen.
Und erntet wieder Lacher. Ich sehe förmlich die Sprechblasen über
den Köpfen der Zuhörer, deren Vertonung die Drei im Handstreich
genial, frech und spritzig umsetzen, als seien sie Gedankenleser
und/oder Spiegelvorhalter. Ein Zwei-Mann-Orchester, das jeder feinen
Nuance noch einen klingenden Farbton hinzufügt. Fein perlend wie der
Sekt des Hauses, fruchtig-herb wie der beste Riesling. Ein feines
Lächeln, eine gehörige Portion Übermut, wenn die Metzgerin heftig
liebt oder Erklärungsversuche fürs Trauer- gemeindehopping beim
Semmelkrenbaatz zu falschen Tränen verführt.
Allein
schon wie Tom seine Worte förmlich moduliert, seine theatralische
Gestik, die Blicke verraten ihn als Chanson-Kaberettisten. Besser
noch: Kammermusiker unter den Kabarettisten wie einst ein Kritiker
schrieb. Er ist als Verführer ganz ganz nah, ganz echt. Die
Intensität seiner Interpretation macht mich manchmal atemlos, so
genau trifft er den Punkt. Der
tägliche Umgang mit dem Tod in Form seiner zweiten Berufung als
Epitaphienkünstler bringt nun mal den Tod in den Alltag und so
seine Gedanken mit. Schließlich ist auch das eigene Leben endlich.
Reinkarnieren wäre toll, bloß als was? Eintagsfliege oder
Suppenschildkröte wäre blöd. Mit ordentlich Hall auf der Stimme
klingt es jedenfalls schön schaurig, wenn der Totengräber seinen
Berufsstand bejaht. Ja, das Älter werden hat es in sich. Wenn die
Männer alt sind klingt wenig ermutigend und ist selbstverständlich
zu Selbstheilungszwecken und nur aus therapeutischen Gründen
entstanden. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie bloß nicht den
Künstler! Der hat eh schon seine liebe Not mit seinen
Frühlingsgefühlen! Wählt noch zwischen Nordpol und Orient als
Zufluchtsort. Die
zweite Hälfte beginnt mit einem beschwingt süffigen Intro. Der
Voyeur erwartet uns zum Schauen. Und setzt mit Wahnsinn die Fantasien
des männlichen Publikums in Gang. Oder des weiblichen. Wer weiß das
schon. Das Orchester jedenfalls löscht vorsichtshalber und entflammt
es dann doch wieder - das lodernde Feuer. Für
ein Lied wird Tom auch politisch und das höchst unterhaltsam und
scharfsinnig. Fragt er doch ganz naiv, was denn nun der Obama kann?
Reimt und rappt drauflos, dass es eine Freude ist. Und auch das steht
ihm und dem Orchester ungemein gut zu Gesicht. Die Musik macht den
Text, der Text macht die Musik. Es braucht tatsächlich nur zwei
Gitarren und Tasten, um den Wirkungsgrad des Obama-Reggaes zu
vervielfachen. Dann
ist Tom wieder bei sich und seinem seelischen Status Quo. Tut seine
Tierliebe tiefenpsychologisch reflektieren, ebenso wie er die Ehe als
Biotop der Gemeinsamkeitsverweigerer abhandelt, wo die Sprachlosen
und die Befindlichkeitsverarmten ein trostloses Dasein fristen.
Man(n) macht sich halt so seine Gedanken. Gott sei Dank ist das
Resultat seiner Überlegungen dann doch versöhnlich, wenn er
feststellt, dass für die Sozialkomponente das Zweisein doch besser
ist. Wie sollen sonst diese Art soft skills erworben und erhalten
werden? Geh mir net verlorn siegt dann doch über die
Kosten-Nutzen-Rechnung. Denn das Leben als Single muss man sich
schönreden bis zur Verleugnung der Realität. Ach
wie liebe ich Toms Liedermacherei. Es fühlt sich so gut an, so
weich, so herrlich unbeschwert, so sehnsüchtig. „Sommer lass mich
spüren, dass ich lebe und bin“. Ist das nicht wunderbar? „Schmeiß
mich in die Luft, lass mich fühlen, dass ich lebe“. Auf Herrn
Blümls Gitarre lässt sich genießerisch in die Luft gucken, ein
bisschen verträumen, ein bisschen versäumen. Schön ist das. Weil,
eine alte Schamanenweisheit sagt es, es liegt an jedem selbst, jeden
Tag aufs Neue, zu entscheiden, welchen Koffer er beim Aufstehen zu
nehmen gedenkt um in den Tag zu gehen. Denn: Das Leben ist leicht,
wenn man es leicht nimmt. Das
Publikum ist hochgradig begeistert. Auch das Paar, das am frühen
Abend mit am Tisch saß und noch vorsichtig optimistisch war, ist
sich einig: Tolles Programm, tolle Musik und wunderbare Texte. Und
gut sieht er aus, der Tom Haydn, stellt sie mit Kennerblick fest. Für
die Zugabe braucht es also keine besonderen Bemühungen. Die
drei Charmeure überreichen Rote Rosen, den Knef-Klassiker in Toms
Textgewand und der unumstößlichen Tatsache: nicht stillhalten,
nicht erstarren, das Neue, unbekannte suchen und finden, und sei es
auch nur, um es in Fürth zu finden. Ich freu mich jetzt auf mein
erstes Glasl Riesling freut sich Tom auf den verdienten Feierabend.
Doch bis es soweit ist, bekommt er lieber eins auf die Bühne
gereicht, nicht dass er sich davonmacht. Lieber noch eins singen, ihr
braucht auch nicht ab- und wieder aufzugehen. Bleibt einfach da.
Wann, wenn ned jetzt. Wunderbar besinnlich, sich aufmachen auf das
was da kommt, das Leben nicht versäumen, um nicht irgendwann zu
sagen „hätt mer doch!“. Da ists mir ein kleines bisschen schwer
über Nob’s Gebläse und der Applaus holt mich wieder zurück. Ein
schöner, wundervoller Tom-Haydn-Abend geht zu Ende. Die Luft über
dem Rheingau ist noch weich und warm, der Himmel über mir zum
greifen nah und die Sterne blinken wie kleine Leuchtfeuer. Jetzt
sitzen bleiben dürfen wär’ schön. Nächstes Jahr gerne wieder.
Das Rheingau Musikfestival und Tom Haydn gehören einfach zusammen
wie der Wein und die Wahrheit.
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08.03.2013
Fotoalbum
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Tom Haydn - "Schmähschmelze" - Bürgerhaus Mühlhausen
mit den Musikern Michael Flügel (Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)
Auszug aus der RNZ (Rhein-Neckar-Zeitung):
Der österreichische Liedermacher und Chansonnier, inzwischen in Nürnberg heimisch, ist künstlerisch eine Rarität. Er gibt nicht den lustigen Unterhalter, den atemlosen Kabarettisten. Er ist ein Meister der leiseren Töne und Texte. Vieles ist mit einem romantischen Pessimismus eingefärbt, aber ohne die üblichen Wiener Dekadenz- Klischees.
Haydn ist ein großer Künstler, der sein Publikum rasch in seinen Bann zieht. Das hat er schon 2010 im Bürgerhaus vor ausverkauftem Hause und intensivem Beifall bewiesen. Sein neues Programm "Schmähschmelze“ hat viel mit seiner Person zu tun, ein authentisches Spiel mit Gedanken und Sprache.
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29.07.2012
Fotoalbum
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Tom Haydn - "Schmähschmelze" am Rheingaumusikfestival mit den Musikern Norbert Nagel (Gebläse, Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)
Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen
Tom und das Rheingau Musik Festival
sind eine hervorragende Cuvée
im Sinne von das
Beste zusammenführen zu einem einzigartigen charaktervollen Ganzen…
leicht und spritzig, mit Charakter und gehaltvoll, so kann man’s
trefflich beschreiben. Wesentlich und prägend für diesen
wunderbaren Abend sind der Hof des Weingutes Diefenhardt mit seiner
freundlichen stimmungsvollen Gastlichkeit, die anregende, sehr
lebendige Musik, die die passende Begleitung für Toms feingeistige
und tiefsinnige Texte gibt, und nicht zuletzt das offenherzige
aufmerksame Publikum. Beste Grundlagen für einen ganz besonderen
Abend. Toms eigene
musikalisch-künstlerische Charakterisierung lautet Chansonkabarett
und so ist es die perfekte Schnittmenge von sowohl-als-auch. Das Lied
ist eine Geschichte, sind Gedanken und Gefühle. Toms Form von
Kabarett ist weder platt wie der Stammtisch noch Schenkel klopfend
wie das Bierzelt. Kabarett ist das zwischen den Liedern. Nicht die
klassische Überleitung, das wäre zu fad und nicht Haydn. Die Brücke
ist voller geistreicher Purzelbäume und skurriler Wortwitzigkeiten.
Tom ist nicht so bissig wie Kreissler, aber mindestens so bildhaft
wie Heller. Seines ist das elegant-stilvolle Auftreten, sein Charme
und seine natürliche sehr sympathische Bühnenpräsenz. Er könnte
uns um den kleinen Finger wickeln ohne dass wir es merken – und tut
es zuweilen auch. Sein „wunderbares Orchester“, Norbert Nagel und
Andreas Blüml, spinnen das Garn mit größtem Vergnügen und wickeln
kräftig mit. Die Weltpolitik
streift er nur leicht aber treffsicher, wenn die eigene
Machtlosigkeit die weltweite euronale Zentrifugalkraft trifft. Mein
Geld macht Urlaub klingt dabei wie ein flotter beschwingter
Urlaubsflirt. Was der Obama kann oder nicht, kommt in einem
locker-rockigen Groove daher, der musikalisch haarscharf und präzise
das schnelle Wort transportiert. Sind die Schurken nun die Guten oder
doch die Guten nur die Schurken? Er wirbelt mit den Worten umher,
dass es einem ganz schwindelig wird. Aber keine Angst, Tom sorgt
schon dafür, dass es uns dabei gut ergeht. Wie kaum einer
trifft er nämlich den leisen Ton, wenn er nach innen schaut, in
seins und jedes anderen und driftet keineswegs in Nabelschau ab. Der
Zeigefinger ist weder lehrerhaft erhoben noch beschuldigend
entgegengerichtet. Der Spiegel zum Reingucken ist voller Humor und
eben diesem Schmäh. Der ja nur den Charme und den Witz und das
Körnchen Unwahrheit und Unechtheit liefert, damit die Wahrheit und
Klarheit umso deutlicher werden. Der dazu unbedingt den
österreichischen Dialekt braucht. Tom ist ein Themensammler, ein
Hin-Gucker, ein Hin-Hörer, ein Geschichtensucher und –finder, ein
zwischen den Zeilen Leser und beherrscht die große Kunst,
vermeintlich unbegreifliches aus seiner Sicht begreiflich zu machen.
Er spielt mit den Worten so nicht gewöhnlich, stellt die Wortwelt
auf den Kopf, sieht das Absurde ohne es lächerlich zu machen und tut
das Ganze wohldosiert in eben dieses Schmähschmelzwasser eintauchen.
Das verursacht nicht gleich einen Erdrutsch, aber wer es zulässt,
erfährt schon mal gehörige Erschütterungen in der
Gefühlslandschaft. Zu aller erst aber vervielfacht sich die große
Spielfreude um jede Frau und Mann die das Vergnügen hat, hier zu
sein. Es ist schön zu
sehen, wie das Publikum sich öffnet und ganz mit ihm ist. Da und
dort gehen die Köpfe zusammen, ein Lächeln auf dem Gesicht, eine
zärtliche kleine Berührung, ein zärtliches Bussi oder ein großer
Kuss. Ein wissendes lautes Lachen bestätigt die Geschichte von
Tierlieb, Katzenbesitzer kennen sich aus. So erkennt sich mancher
wieder und fühlt sich doch nicht ertappt. Stille und Mitfühlen ist
fast körperlich spürbar in den Momenten, die schmerzlich, bitter
aber nicht verbittert, ein wenig wehmütig die Liebe besingen.
Vergangene, junge, verlorene, verschüttete… Vielleicht wird’s
wieder werden, Es herbstelt, und ganz am Ende, als dritte und letzte
Zugabe, Wann, wenn ned jetzt? Er singt vom
nicht-loslassen-können und von den Qualen wenn’s Frühling wird
und die Frauenwelt seine Sinne überstrapaziert. Er singt von der auf
Gleichgültigkeit und Gleichschaltung runtergebrochenen Denkwelt, die
zur Genügsamkeit auf hohem Niveau wurde. Er feiert das wieder Single
sein in perfektem Selbstbetrug, treibt Rollentausch und –klischees
auf die Spitze und resümiert gegen Ende letztlich doch grundlos
glücklich. Das Leben ist schön singt er uns beruhigend und
ermutigend für den Nachhauseweg. Fazit eines wunderbaren Abends.
Auftanken und mitnehmen, in sich einbrennen und für magere Zeiten
abrufbereit halten. Noch ist es nicht
soweit, wir sind noch immer hungrig. Tom kredenzt den Knef-Klassiker
Rote Rosen, sein Rübermachlied, wie er sagt, das er so
unvergleichlich zu seinem gemacht hat. Und den eigenen Klassiker Die
Ballade von der Metzgerin quasi als Beweis, dass das Alte längst
nicht alt ist. Nobs lässt einen quietschvergnügten Hochzeitsmarsch
steigen, dass es nur so ein Ohrenfest ist. Andreas erzählt quirlig
und ausgelassen die Geschichte dieser Gala-Bunte-fähigen
unglücklichen Liebe. Tom kokettierte ja Anfangs mit seiner
Künstlerzunft, sich und seinem Publikum, das immer neues will wo das
alte doch gut und schön und bewährt ist. Beweisführung gelungen.
Und doch scheint noch etwas zu fehlen. Wir sind nicht einverstanden
mit dem letzten Schlussakkord, es fehlt ein Abschluss, ein Ausklang,
ja, es fehlt irgendwie der Punkt am Ende des Satzes. Und auch solche
Lieder haben die Drei parat, denen nichts mehr hinzuzufügen ist
außer ein großes herzlichen Dankeschön und viele Verbeugungen.
Wann wenn ned jetzt als eindringliche stetige Erinnerung das Leben
jetzt zu leben. Hätt mer doch wäre sonst eine allzu bittere Bilanz.
Der ausdauernde Applaus ist quasi das Brennprogramm auf die
Festplatte. Tom Haydn hat auch bei seinem dritten Gastspiel auf dem
Rheingau Musik Festival die Herzen erobert und darf, nein muss!,
unbedingt wieder kommen.
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11.07.2012
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Tom Haydn mit Norbert Nagel - "Grundlos glücklich" in Altdorf
Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen
Wie geht Glück?
Das ist ja ein
geschichtsträchtiges Kopfsteinpflaster, auf dem Bühne und Tribüne
stehen. Da entdecke ich an den Mauern der Alten Universität eine
Gedenktafel an den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz, der hier
1666 promovierte zum Thema: De Casibus Perplexis In Jure“, was da
heißt, so hab ich’s mangels Latein gegooglet: „Über verwickelte
Rechtsfälle“. Die stehen hier nicht zur Debatte, wenngleich Tom im
Premierenprogramm „grundlos glücklich“ durchaus über
verwickelte Gefühlsfälle im Menschheitsdasein aufs Unterhaltsamste
zu philosophieren weiß. Nichts ist so verzwickt wie der Mensch und
wenn einer vorgibt grundlos glücklich zu sein, da muss was faul
sein. Er sinniert vortrefflich über das Leben an sich, unsere Mühen
und Taktiken um uns selbst zu drehen um darin diesen komfortablen
Zustand des Glücks zu finden. „Das Leben in Scherben“, um es
wieder neu zusammenzusetzen. Unsterblichkeit gar? Im Glücksportfolio
befinden sich dann lauter Abhängigkeiten von Äußerlichkeiten der
materiellen Welt, die werbewirksam aber ohne Gewähr das G-Sein
versprechen: Karriere, Kinder, Haus, Boot, Auto und Flachbildschirm.
Konsumankurbeln fürs Glücksgefühl in Chacs. Aber auch der
Elite-Partner ist nicht zwangsläufig Erfolg versprechend. Schwierig
schwierig, dieses G-Ding. Was also tun? Sich ausprobieren, „Zwischen
den Zeiten“, auch wenn die Ideale der Jugendzeit dabei flöten
gehn, am-Boden-bleiber liegen sich eh nur wund! „Fliegen“ ohne
Netz und doppelten Boden, Schwerkraft besiegen, das Leben wagen.
Leben! Und zwar jetzt! Denn dafür isses da! Tom hat einen
neuen (alten) Weg eingeschlagen. Kommt als er selbst daher, hat das
gestriegelte Bühnenoutfit gegen leger-sportlich mit Dreitagebart
getauscht. Er braucht also in keine Rolle schlüpfen, sein Lieder und
er sind jetzt eins zu eins. Da glaubt man ihm auch den Seitenblick
auf Johnny Cash, wenn er das folkhafte „Sag an“ in countrymanier
anschlägt. Tom steht seine noch ungewohnte Hauptrolle an der Gitarre
souverän. Er spart nicht mit seinem wunderbar schlonzigen Charme,
den er in den kleinen Geschichten neben seinen Liedern fein dosiert
verstreut. Spieglein an der Wand - auch Selbstironie ist
ihm nicht fremd. Kein Glücksfall, sondern jahrelange Freundschaft
begründet die Zusammenarbeit mit Norbert Nagel an den Tasten und
Saxophonen. Der hat hier ein Heimspiel und trotz heftiger Erkältung
kann man Spielfreude nur SO buchstabieren. Es ist die reinste
Veredelung von Stimmungen und Gefühlen in Musik. Dem glücklich sein
ein gutes Stück näher! „Rindfleisch mit
Semmelkren“ ist schon lange eine feste Größe im Repertoire. Auch
in Altdorf erzeugt die Story vom Ministranten im Ernährungsstress
seine Lacher. Ohne jegliche Sentimentalität, aber ganz
Singer-Songwriter-like bringt Tom dann sein persönliches
Heimatgefühl rüber. Für ihn hat es Resettastenfunktion, ist
Identitätsgeber und Wurzelwerk. Ein Liebeslied. Ein Stück tiefer
geht „Das Meer in mir“. Ein starkes, ein feines ruhiges Lied über
das Bedürfnis nach innerer Klarheit und Ruhe in einer aufgewühlten
überschäumenden Welt. In Toms neuen Liedern steckt ganz viel
Persönliches, da legt er das Herz auf die Zunge und muss keine Angst
haben, dass es verbrennt. Fazit des Abends:
„Das Leben ist leicht“. Also doch. Die schwarzen und weißen
Koffer sind überall auf der Welt gleich verteilt, entscheidend ist,
welchen man sich entscheidet zu nehmen. Und das jeden Tag aufs Neue.
Am Ende steht natürlich der Titelsong „grundlos glücklich“. Es
gilt die Devise: nur nicht falschen Träumen hinterher jagen, was
gilt ist das Hier und Jetzt! Ein Versuch isses wert! Zugaben sind
vorgesehen und werden gern angenommen. Das Publikum ist fleißiger
Applausgeber. Das hier sein hat jedem so ein bisschen innere Wärme
gegeben, so trotzt es sich leichter der kühlen Temperatur. Immerhin
ist es trocken geblieben! Glück gehabt. Dass Tom und Norbert auch
rocken können, zeigen sie später im Set von Dillberg. Die spielen
ihren Deutschrock und der kommt für mich heute Abend am Besten
rüber, wenn Tom dem seine Stimme gibt und Norbert das Sax rockt,
dass die Glückhormone nur so überblubbern.
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12.03.2011
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Tom Haydn - Premiere "Schmähschmelze" im Stadttheater Fürth mit den Musikern Norbert Nagel (Gebläse, Tasten) und Andreas Blüml (Gitarren)
Und wie immer an dieser Stelle der Dank an Christel für ihre Nachbetrachtungen
Der Schmäh beginnt zu schmelzen…
… unter dieser neuen
Versuchsanordnung – wie Butter in der Sonne. Tom Haydn als
Chef-de-Mission mit Norbert Nagel, außer für’s Gebläse nun auch
an den horizontalen schwarzen und weißen Tasten und Andreas Blüml
an diversen Gitarrenkorpussen. Die beiden balancieren Tom meisterhaft
durch die Klippen der neuen Texte und streuen zusätzlich jede Menge
Wärme (ja, es ist ziemlich warm hier im Foyer) und Würze auf die
Ohren. Was kommt denn nun zum Vorschein, wenn der Schmäh schmilzt?
Ein neuer, alter Tom. Äußerlich in neuem Outfit, schneidig, das
Haar locker gestylt, fesch halt. Und innen? Lass hören….
Tom ist leiser geworden und sich selbst
begegnet. Liedermacherlicher - aber nicht so einer im Ökolook und
Jesuslatschen, nein, einer wie er kommt im modischen Karo.
Mustermutig und wortgewichtig. Es tut zuweilen ganz schön weh, aber
es ist ein heilender Schmerz und am Ende singt er „Das Leben ist
leicht, wenn man es leicht nimmt“. Er ist weder
Berufsbetroffenheitler, noch Heul-doch-Zyniker. Er zeigt Haut ohne
nackt zu sein und ohne Sezierblut. Und er wäre nicht mehr Tom Haydn,
sondern ein weiterer Jammerlappen im Liedermacherbus, wenn nicht so
ein bisschen Schmähsch(m)utz bliebe. Vorbei die Zeiten, in denen er
„fremdes“ Liedgut zu seinem eigenen machte, hier ist jedes Wort
und jede Note Eigenblut. Der ehrliche, bisweilen schonungslose Blick
auf das eigene wie globale Soll und Haben, Schein und Sein,
beschreibt in unnachahmlicher Weise mit diesem speziellen Tom’schen
Humor gewürzt die Kulturverbrauchsgesellschaft, die
Ressourcenverschwendung, die besorgniserregende Geldwirtschaft und
vorschont auch nicht die eigene Berufsgattung, die auch nicht die
besseren Menschen seien und für was anderes zu dumm… Es geht ums
Loslassen, neue Wege suchen, gegen die Gleichgültigkeit, gegen den
Verlustfrust und die Schlechtdenkerei. Seinen eigenen Sinnen
vertrauen, seinem Verstand, statt sich nur zu schleichen und überall
dazwischen. Täuschen und Tarnen endlich sein lassen, besser schlecht
versichert leben als gar nicht. Das kommt also zum Vorschein, wenn
der Schmäh schmilzt. „Schmähschmelze“ (treffender hätte Tom es
nicht überschreiben können) verspricht viele viele besondere
Abende. Rundum gelungen! Fein-hinter-sinnige Texte und eben solche
Musik. blues-rapp-cha-cha-ballade-ballade… alles wie aus einem
Guss. Chapeau, die Herren, herzlichen Glückwunsch! Ich erhebe das
Glas auf euch Drei. Nachtschwärmer und andere kommet zu Hauf – es
gibt Neues zu entdecken!
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