Aus Nachtschwärmers Liederheft
Haydns kleine Nachtmusik im Stadttheater Fürth - 22.11..2008

von
Christel Amberg-Wiegand
 

Wenn im letzten Quartal des Jahres alle Schattierungen von Grau zum Standard erklärt werden, spätestens dann darbe ich förmlich nach Licht am Ende des Tunnels, nach Wärme, Überlebenselixier, Seelentröster und Muntermacher… sprich: Musik! Sprich: Tom Haydns kleiner Nachtmusik.

Nicht einmal die Wetterpessimisten – die schon gar nicht! – konnten uns abhalten, die A3 an einem Samstagmorgen unter die Räder zu nehmen. Schließlich hat uns das schwarze Taxi schon durch ganz andere witterungsbedingte Kapriolen sicher ans Ziel gebracht. Als ein bisschen gefrorenes Wasser vom Himmel fiel, waren wir schon längst im brodelnden Nachtleben der quirligen, pulsierenden Stadt Fürth ein- und untergetaucht. Gut gestärkt von den ohne wenn und aber kulinarischen Köstlichkeiten, die uns in der Schilderwach reichlich kredenzt wurden.

Aber alles das wäre nur Hülle ohne Inhalt. Alles das wäre nichts, gäbe es nicht eben dieses verführerische Dessert, ein bisschen Sünde, ein bisschen frech, ein bisschen Moll, in dieser einmaligen Rezeptur, wie sie nur Tom Haydn servieren kann. Nämlich mit einem gewissen Schampusprickeln auf der Zunge. „…. a bisserl was von dem,….“ singt er später. Dessert oder Apéro für Nachtschwärmer, so gesehen ist Haydns kleine Nachtmusik ein wahres Schlemmerparadies. Da schmecke ich leichte Süße mit etwas Bitterem im Abgang und flüchtige Zartheit vermengt sich mit herzhafter Lebensklugheit. Es ist so etwas wie eine Essenz seiner Vielseitigkeit. Einerseits sind da die immer wieder aufs Neue beglückenden Lieder der spitzen Zunge eines Georg Kreisler und dem Feingeist des André Heller wie Tauben vergiften und das selten in so einer Intensität erlebte Bitter und süß. Leidenschaft die Leiden schafft. Das singen und spielen diese Drei mit so viel Einfühlungsvermögen und gleichzeitiger Leichtigkeit, dass mir fast die Luft wegbleibt. Andererseits Die Ballade der Metzgerin, Tierliebe, Wahnsinn aus Toms eigener Zutatenliste – immer wieder hörens- und sehenswert. Abgerundet wird das Ganze mit Toms neuen Liedern, die eine ganz andere Handschrift zeigen. Da offenbart sich eine Liedermacher-, Liedermalerkunst, die vom Hinschauen und Hinhören und von in sich hineinhören lebt und davon, dass sich plötzlich eine Stimmung, eine Erwartung entfaltet, die sich anders auflöst und woanders hin führt, als es scheint. Lieder, in denen er wieder die gute alte neue Tradition der Singer/Songwriter pflegt. Da ist so viel Herzenswärme und Lebenserfahrung… von Altersweisheit wage ich bei einem in der vierziger Metamorphose Befindlichen noch nicht zu sprechen.

Was erlaubt das Publikum? Wie nah lassen sie Tom an sich heran, seine Musik…, wie viel Gefühl gestatten sie sich? Erlauben sie ein kleines Spiel mit dem Feuer? Vielleicht ein kleiner prickelnder, knisternder Augenblick charmanter Anmache? Tom gibt den Charmeur vom Scheitel bis zur Sohle – formvollendet inszeniert mit den Zutaten aus dem Heimatland von Schmäh.

Malt er sehnsüchtige Wunschbilder oder ist es am Ende doch bloß Tränendrüsenaktivismus gepaart mich respektloser und humorvoller Lebenslotterhaftigkeit, die sich kurz vor dem triefenden Abgrund selbst rettet? Geht alles gut. Hervorragend sogar. Michael Flügel (Nomen ist Omen, wie oft hat er das wohl schon gehört?) und Norbert Nagel an Saxophon und Klarinette interpretieren jeden Puderzucker, jede süße Lust, jedes gewagte Abenteuer und jeden Schmerz so lustvoll ausschweifend wie dünnhäutig fein. Ein wunderbarer Einklang von Wort und Musik. Ich höre Töne, die fast keine sind, Töne, die kaum die Luft bewegen, eine Ahnung nur, so zart, durchsichtig wie Glas. Dann wieder musikalische Clownerien, leichthändig und leidenschaftlich, mit einem Schuss Erotik und Witz. Ewald Arenz sorgte mit seinem kurzen Intermezzo für zusätzlichen Unterhaltungswert und hatte die Lacher auf seiner Seite. Das Publikum hat gern am anderen Teller genascht. Tom konnte dann aber nahtlos dort anknüpfen wo er uns verlassen hatte. Zum Schluss überreichen sie die Roten Rosen. Den Knef-Klassiker hat Tom sich längst auf den Leib geschrieben und der Stadt Fürth ins musikalische Gästebuch.



Fotoalbum Konzert
 

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de