Bonndorfer Schloss-Pikanterien
Tom Haydn mit "Pikanterien" im Schloss Bonndorf 20.11.2009


von
Christel Amberg-Wiegand
 

Die Bonndorfer verstehen was von Weismacherei…  und wenn an der Fassade ihres Schlosses das ein oder Fenster mehr Schein als Sein ist, innen ist es sehr sehr „schlößig“,  hell, freundlich und mit einer gewissen Eleganz. Der Saal mit der mit Malereien und Stuck reich geschmückten Decke ist ein schnuckeliges Ambiente für Tom und sein Lieder. Der fruchtbaren Zusammenarbeit des Folktreffs Bonndorf e.V. mit dem Kulturamt des Landkreises ist es zu verdanken, dass sich heute Abend der vollbesetzte Saal an Tom und seinem wunderbaren Orchester erquicken darf.

In der Garde der österreichischen Kulturschaffenden zähle ich Tom Haydn schon noch zu den jungen Wilden. Schließlich hat er ja nicht aufgehört, Österreicher zu sein, nur weil er „rübergemacht“ ist. Im Gegenteil. Mit dem Blick von außen und dem Herz von Innen sieht er scharf und fühlt tief hinein in den Wiener Schmäh und jedes Klischee. So macht er sich höchst lustvoll seine eigenen Gedanken über das letztlich todsichere Leben. Lieben bis zum Ende, manchmal bitter, manchmal süß. Liebe und Lust sind der rote Faden durch alle seine Lieder, von Tierliebe, Heimatliebe, One-Night-Stands oder Liebeswahn lässt es sich trefflich parlieren, von Vergangenem oder Erträumtem wunderbar resümieren. Mit den qualvollen Freuden und den lustvollen Leiden des Daseins, das ohne Verlangen und Brennen und Überraschungen fad und flach wäre wie ein langweiliger, grauer vorhersehbarer Tag, kennt er sich aus. Käme da nicht der Mann von der GEZ.

Tom kann so glaubwürdig ein junger Galan sein wie der, der es noch gern sein möchte. Gestatten, Charme! Und dazu ein gehöriger Schuss Selbstironie und Übertreibung, dann wieder die pure Eleganz und Verführung in Dur und Moll mit einem Blick eines Unschuldslammes würdig. Er lässt Gedanken blühen und Ungeträumtes ersehnen ohne rot zu werden. So wandelt er mit breiter Brust souverän auf dem Grat, der die hohe Kunst vom Flachwasser trennt. Und wenn er auch noch an den erhitzten Damen vorbeidefiliert, unverblümt eine Affäre suchend …. also nein, Mädels, so beruhigt euch doch!

Am Hör- und Sehvergnügen wesentlich beteiligt ist natürlich das Orchester, Andy und Michael. Von kleiner Andeutung bis im großen Bogen weit ausgeholt und dick aufgetragen bieten sie alles. Das vertraute Gebläse Norbert Nagels übernimmt heute Andy Blüml – selbstredend auf gleicher Höhe - an diversen Gitarren und gibt den Pikanterien einen neuen, unerwarteten Schliff. Er ziseliert den Wiener Schmäh ebenso gnadenlos wie feinfühlig. Wie anders klingt auf einmal das Bekannte. Er zupft, pickt und perlt die Töne wie Tropfen, umlegt, umgarnt, bettet Toms Geschichten in die passenden Noten und liefert sich ein Scharmützel der besonderen Art mit Michael, der den Bösendorfer beherzt weich und schlotzig anschlägt. Am Ende stiebt er quer über die schwarzen und weißen Tasten … Mach’s noch einmal, Michael, du treibst uns geradewegs in das Fegefeuer der Nimmersatten. Die Luft ist krachvoll, dicht und fett und entlädt sich in donnerndem Applaus. Manchmal aber hilft auch das nicht. Nämlich dann, wenn die Zeit eine kleine Unendlichkeit hängen bleibt, und nur die Atemnot den Sauerstoff wieder in die Lungen holt. Schuld daran ist Bitter und Süß. Furchtbar schön. Als Tom am Ende des Programms Wenn I amal stirb zur wahnwitzigen Komödie treibt, ist es um uns alle geschehen. Ein Abend im Vollrausch der Gefühle, mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. Wie ein Retter kommt von irgendwoher ein Seufzer und manch verstohlener Wischer über die Augen, die nicht wissen, ob sie weinen oder lachen sollen. Der Dramaturg hat die Pikanterien des Lebens fein ausbalanciert. Bevor man rettungslos ertrinken möchte, fliegen Rote Rosen. Heute passt einfach alles, das Flair dieses Raumes, die Stimmung, das tolle Publikum… Als habe man aufeinander gewartet, sind Künstler und Publikum sich am Ende sehr einig, dass es ein unvergesslicher Abend war. Gerne auch zur Wiederholung, schön wär’ das!


Fotoalbum Konzert
 

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de