Fortsetzung:

Zu allererst ein herzliches großes Kompliment an die vielen fleißigen Helferlein im Vorfeld und während des Festivals! Allein die Idee und die Leistung, aus einer Feldscheune einen sehr schönen Veranstaltungsraum zu machen, verdient Bewunderung. Vom Feinsten sind die kulinarischen Köstlichkeiten. Auch die Getränkekarte läßt keine Wünsche offen. In so einer angenehmen, lockeren fast familiären Atmosphäre gedeihen natürlich ganz besondere Konzerte! In unbeschwerter Umgebung läßt sich's gut musizieren. Das überaus angenehme Umfeld trägt natürlich entscheidend zum Gelingen eines Konzertes bei und ist das typische Flair dieses non-profit-Festivals. Das Publikum ist mit der ersten Note schon gefangen und dankt es mit großzügigem Applaus und Begeisterung.

Vielleicht steckt in jedem von uns so ein liederliches kleines Lästermaul, das Vergnügen, sich an den kleinen feinen Schlechtigkeiten, Boshaftigkeiten und Niederträchtigkeiten zu erfreuen. Sowas tut man ja nicht, wir sind ja so edel, hilfreich und gut. Tom Haydn darf das. Mit seinen Texten gestattet er uns das Vergnügen, in seine verborgene schwarze Seele zu schauen und dabei unsere eigene zu entdecken. Er tut das auf höchstem Niveau und mit größtem Vergnügen. Dabei sieht er so unschuldig aus, so brav, als könne er kein Wässerchen trüben. Wahrscheinlich macht's auch deshalb soviel Spaß, weil man es ihm so gar nicht zutraut, so wie er da steht, sympathisch lächelnd, charmant sein Publikum umgarnend. Sein Blick auf die Pikanterien des Lotterlebens machen wonniges Schauern. Die Musik dazu sehr lebendig, spritzig und immer ganz nah in und an den Texten. Umhüllen sie wie ein fließendes Tuch, durchzogen von Goldfäden aus Jo Barnikels Tastenschmiede und von funkelnden Edelsteinen des Saxophon, der Klarinette, Querflöte und Bassklarinette Norbert Nagels besetzt. Da wird das Mundstück schonmal zum klöppeln zweckentfremdet.

Da geht es um Affären, um gierige gewissenlose Politiker, eine besondere Spielart der Tierliebe, sehnsüchtig flehen sie den Sommer herbei und es walzert ganz stark beim boshaften "Tauben vergiften im Park". Georg Kreissler läßt grüßen! Schon der schwüle Barbluesopener "Wahnsinn" mit dem Piano- und Saxsolo zeigt das Kaliber des Dreamteams des Abends! Und es würde etwas fehlen, wenn der "Totengräber" nicht aus seinem Leben erzählen würde. Tot ist tot interpretiert die Klarinette und das Piano erheitert sich darüber. Toms kulinarische Völlerei beim Leichenschmaus, Zehrung heißt's in Österreich, bei "Rindfleisch und Semmelkren" passt da natürlich nur allzu gut dazu!

Tom verwebt seine Lieder in Geschichten, die es in sich haben. Über herrlich schräge Vögel zum Beispiel. Oder waren es auch nur allzu menschliche Abgründe, welche dort in heimatlicher Heilewelt seine Sinne schulten und sein Gemüt prägten? Herrliche Gehässigkeiten, liebenswürdig verpackt und liebevoll serviert. Genüsslich seziert er das Heimatidyll mit dem Klatsch- und Tratschmittelpunkt der örtlichen Milchbank, wo noch immer der Modetrend von vor 25 Jahren eine schaurig-schöne Renaissance feiert und Blumenmuster auf Polyacrylkittel und Gummistiefel gegen übermäßiges Transpirieren absolut en vogue sind. All sein Mitgefühl, "dieses Lied geht nur die Männer an, Frauen raus", legt Tom in ein kleines Lied "Wenn die Männer alt sind", wohingegen Norberts Klarinette nur herzhaftes Lästern übrig hat. Kulturpalast wird Hexenkessel, wenn plötzlich der Mitklatschreflex getroffen wird und Norbert mit einem völlig abgekippten Sax und Jo mit einem hämmernden Rag den "Handyman" durchpeitschen. Der eine hat den Schalk im Nacken, den anderen sticht der Hafer! Schön, wenn es für die Zuschauer nicht allein bei der Musik bleibt, sondern auch das gute Luftgemisch zwischen den Tönen mit über den Bühnenrand transportiert wird. "Die Metzgerin" ist wohl der Alptraum eines jeden Vegetariers und sogar Jo muss schlucken. Die lüstern frivole Anbetung läßt Norbert nach dem Hochzeitsmarsch in einem furiosen Schlachtfest an der Klarinette enden. Das Temperament - oder die Sau? – geht mit ihm durch! Mörderischer Spielwitz bis zum letzten Lebenshauch. Was für ein Vergnügen!! Das Publikum ist natürlich hellauf begeistert und spart nicht mit Applaus und akustischen Lobhuldigungen.

Auch wenn die Zeit leider nur für ein Festival-Quicky reicht, lassen wir die Herrschaften nicht ohne Zugabe von der Bühne. Der "Voyeur" läßt uns an seinen Einblicken ins Leben teilhaben und DAS Liebeslied aus dem aktuellen Haydn-singt-Heller-Programm setzt den Schlussakkord: "Wie mei Herzschlag". Der scheint fast auszusetzen, als es einen kurzen Herzschlagmoment völlig still ist, bevor der Beifall aufbraust.

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de