14. September 2005, Amphitheater Hanau

Fortsetzung:

 

Easy-going beginnt das Programm, schlendernd und pfeifend kommt Konstantin unter leichten und unbeschwerten Klängen der Klarinette und des Keyboards auf die Bühne "Dem Mond entgegen", und kokettiert mit seiner Vergangenheit, als er energisch auf die Bühne fast gestürmt ist, voller Elan der Revoluzzer war – geht wieder ab und macht es uns vor. Traktiert seinen Flügel wie in alten Zeiten. Großer Beifall natürlich und das Publikum schon erobert.

Konstantin hat mit seiner Band ein wirklich sehr schönes abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Goodies und Lieblingsstücke querbeet aus allen Jahren neu arrangiert, und natürlich die Lieder der neuen CD. Auf die war ich besonders neugierig. Wie kommen die Stücke live rüber? Worin besteht das Mehr? Live ist natürlich viel mehr Raum für jeden. Da gehen Blicke hin und her, sie spielen sich zu, lassen sich Zeit für Soli und Improvisationen. So wird die Musik unglaublich lebendig, jung und frisch. Ich möchte sie nicht missen, die Band. Sie ist wie aus einem Guss, ihre Vitalität ist ansteckend, überträgt sich förmlich. Noch kann ich mir diese Musik gar nicht "pur" vorstellen, möchte nichts von dem nicht hören müssen. Köstlich immer wieder die lustvoll eingestreuten Ausflüge an den Gebläsen, die Lautmalereien des Percussionisten, die Tastenakrobatik an den Keys des einen mit dem kraftvollen, mal zärtlichen Anschlag des anderen. Und so begleiten sie meine Gedanken, lenken sie mit ihren Liedern.

Ruhiger ist er geworden, nicht mehr so stürmisch vielleicht. Alles ist unverkennbar Wecker, ehrlich aufrichtig und aufmüpfig, aufrüttelnd ist er und der, der immer die Finger in die Wunde legt, nicht nachläßt seit einem Vierteljahrhundert, anprangert, wütend ist. Und wunderbar leise in seinen Liebesliedern. Konstantin schreibt sicher mit die Schönsten. Das zeitlose "Was ich an Dir mag", unglaublich gefühlvolles Sax, himmelhoch jauchzend, großes Gefühl in Klänge verpackt ... meine Gedanken und Gefühle gehen auf die Reise. "Was immer mir der Wind erzählt" und die fast flehende Bitte "Lass mich einfach nicht mehr los", Jo jetzt drüben am Flügel, himmlisch, überirdisch schön, typische Wecker-Worte und Klänge, warm, sinnlich und tief.

Das Programm ist so prall und dicht, dass ich kaum hinterherkomme mit Hören und Sehen und Denken und Fühlen. Konstantin hat so unendlich viel zu erzählen, da schnappt sich ein Höhepunkt den nächsten. Endlich einmal dürfen wir mitsingen, nicht leise und verschämt, nein, laut und aus vollem Herzen! Konstantin erklärt uns noch die Phonetik der Tenöre, prüft die Stimmlagen der Herren, dann die der Damen und gemeinsam und mit größtem Vergnügen dirigiert er uns durch "Statistisch erwiesen", kanonisch nicht perfekt, eher einem Geschlechterkampf gleichend, reicht die Gesangsleistung aber immerhin noch für ein Zufriedenstellend. Und viel Spaß!

Wie eh und je ist Konstantin extrem fleißig, manchmal schaut es aus, als würde er völlig selbstvergessen in seinen Lieder verschwinden, hineintauchen und sich wegtragen lassen. Weit gefehlt, immer höchst präsent, ebenso wie die drei anderen, die ihn keine Sekunde "alleine lassen". Dafür bekommen sie immer wieder Szenenapplaus.

Eines der Hightlights der neuen CD und für mich heute Abend ist neben den immer gültigen Liebesliedern das "Wiegenlied". Mit langem Intro findet sich Konstantin ein. Düster, beklemmend, qualvoll und Erinnerung an heitere glückliche Zeiten beschreiben sie eine Kindheit irgendwo im Krieg. Es ist mucksmäuschenstill als Norbert die letzten Töne entläßt. Zur Pause dann Antwort auf die oft gestellte Frage "Das ganze schrecklich schöne Leben" ein lebensbejahendes ehrliches aufrichtiges JA. Gänsehaut!

Noch einmal ist Kindsein Thema in "Flaschenpost", das Zwiegespräch Vater/Sohn. Der eine voller Hoffnung, Vertrauen in die Zukunft. Der andere resigniert, frustriert. Und wenn es nicht die Worte gäbe, so kann allein Norbert in seiner musikalischen Sprache mit seinen Instrumenten genau das erzählen. Da kann ich nur ungläubig Staunen. Und mit welch packender Dramatik bringen sie es rüber, eine richtige musikalische Inszenierung!

Eine der vielen Zugaben war natürlich "Was für eine Nacht", Norberts fröhliche Querflöte hinreißend zelebriert, Jo temperamentvoll an den Tasten, da ging Konstantin auf Tuchfühlung zu seinem Publikum und dann zur Abwechslung mal an die Percussions. Dafür ernten sie standing Ovations und ausgiebig langen Applaus! Und eine feine Überraschung noch Hakims Solopart und die Vokalpercussion zu Viert, da sprühen die Funken nur so und der Übermut. Ganz anders beim "Liebeslied im alten Stil". Es fließt langsam dahin wie der Fluss, leichthändig Jo und Konstantin an den Tasten, Norbert bringt die Sonne mit und Hakim den Fluss. So nehmen sie ihr Publikum mit. "Was für ein Gefühl – tiefer als das Mehr ... Nach fast drei Stunden entlassen sie uns mit dem leisen "Schlendern" in die frühe Nacht. Unmöglich, sich alles zu behalten, sich an alles zu erinnern. Ich habe ihn sehr genossen, diesen Gedankenspaziergang am Flussufer und freue mich auf ein nächstes Mal. Unbedingt!

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de

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