Frankfurt - HR Sendesaal - Pulifunie Konzert

Fortsetzung:

Auf der Bühne steht ein großer Flügel, einige Mikrophonständer, ein Stuhl, ein paar Monitore - sonst nichts. Die große Orgel bildet einen stimmungsvollen Hintergrund. Der Saal ist voll besetzt. Wir können es kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Nach einleitenden Dankesworten von Cornelia Rost für den HR und Peter Schneckmann für die Brotfabrik ist es endlich soweit. Die junge Cellistin, Anne Lise Herrera, nimmt auf der Bühne Platz. Sie untermalt in ganz wunderbarem zurückhaltendem Spiel den von Karine Husson vorgetragenen Text "Verschließt nicht die Tür". Angespannte Stille, damit nur ja kein Wort verloren geht. Karine ist Französin und es ist sicher nicht leicht, diesen Text zu lesen. Sie macht ihre Sache wirklich gut und wird mit viel Applaus verabschiedet. Die Sänger kommen unter tosendem Beifall auf die Bühne, lachen, grüßen ins Publikum und formieren sich zum Halbkreis an den Mikrofonen. Neben GF und Alain Bernardini stehen heute Stéphane Mangiantini, Louis Tomei, Maurice Grégoire, Franck Ventura und Martin Vadella an den Mikrofonen. Jeder von ihnen hat eine klare reine fantastische Stimme, sie bilden gemeinsam die EINE Stimme der Polyphonien.

Es ist mucksmäuschenstill als der erste Ton erklingt - unglaublich intensiv füllen diese wunderbaren kraftvollen Stimmen den Raum. Sie scheinen miteinander zu spielen, eine Stimme nimmt das Lied auf, eine andere kommt hinzu, führt die Stimme weiter, wie Verzierungen, wie ein Rahmen oder wie ein Baum, der von unten her immer größer wird und in einer ausladenden Krone seine Schönheit zeigt. Ein Lied geht zu Ende und sogleich wird das nächste angestimmt - man mag kaum Atmen, hört gespannt zu wie sich die Stimmen entfalten. Der erste große Applaus klingt noch ein bisschen verhalten, so als wollte man die Stimmung nicht zerstören. Erst als die Sänger um GF und Alain Bernardini die Bühne verlassen, löst sich ein wenig die Spannung.

Später hören wir sie nochmal. Korsische Polyfonien - wunderbar vorgetragen mit einer gewissen Strenge, aber auch mit einer Leichtigkeit und Freude, die in den Gesichter zu lesen ist bei aller Konzentration! Das macht IM so einzigartig, diese feine Balance zwischen der klassisch strengen Polyfonie und dem unbeschwerten Vortrag. Das Programm an diesem Abend ist angenehm aufgelockert und dadurch niemals überfrachtet. Wir hören eine bewegende Version von "Un sognu pè campà", GF an der Gitarre mit dem special guest Achim Meier am Flügel. Zum Niederknien schööööön!!! Karine trägt zu unserer Freude den Text über den" Brunnenbauer" vor, den wir schon einmal in Köln gehört haben und damals schon so beeindruckend fanden. Auch hier hat er die gleiche Wirkung, weckt die gleichen Gedanken.... Wir lauschen dem Text "Ich erinnere mich seiner", ein in liebevoller Erinnerung an einen sehr wichtigen Menschen geschriebener Text... und natürlich "Di", es darf nicht fehlen an diesem Abend. Wieder begleitet Achim Meier ganz zart GF's Gesang zur Gitarre. Gänsehautfeeling!!! So in uns versunken, vergessen wir fast den Applaus und bekommen fast gar nicht mit, dass Alain mit auf die Bühne kommt für "Un so micca venuti". Seine hellere kraftvolle Stimme im Part mit GF ist einfach Hochgenuss pur bei diesem wunderschönen Lied. Damit ist das Hauptprogramm schon fast zu Ende, das Intro zu "Diu vi salvi regina" erklingt am Cello - die heimliche Nationalhymne bildet den vorläufigen Schluss. Riesiger nicht enden wollender Applaus - standig Ovations, Pfeifen - alles was geht! Wir sind restlos begeistert - und natürlich noch lange nicht müde und schon gar nicht "satt". Die Sänger gönnen sich eine kleine Pause und  kommen lachend und winkend zurück auf die Bühne. Die Freude an diesem gelungenen Abend ist allerseits zu sehen - die Gesichter strahlen und 800 begeisterte Zuhörer geben alles vielfach zurück.

GF stimmt ein zu "Lode di u sepolcru", seine tiefe Stimme schickt ein ums andere Mal Gänsehaut über den Rücken. Ein diebisches schelmisches Lächeln geht über sein Gesicht, als er auf die Goethestadt Frankfurt zu sprechen kommt und uns nach dem im Wechsel deutsch/französisch gelesenen Gedicht "Flötenspiel" als Dichter keinen Geringeren als Hermann Hesse verrät :-)

Wir sind einfach unersättlich - keine Ahnung, ob der HR noch aufzeichnet, falls nicht, ist es einfach die Zugabe nur für uns. "Di" war so wunderschön, dass es uns noch einmal geschenkt wird. Alle sieben kommen noch einmal auf die Bühne und verabschieden sich mit zwei weiteren Polys - Verbeugungen, Klatschen, glückliche strahlende Gesichter überall.  

Ein bemerkenswertes gefühlvolles und für uns sehr seltenes Konzert ist zu Ende. Wir trauen uns gar nicht wieder in die Welt zurück, aber das Saallicht holt uns schnell wieder ins Leben. I Muvrini sind eigens für dieses Konzert von Bastia über Paris am Freitag morgen angereist. In eine fremde Stadt, wo sie kaum Gelegenheit haben, Eindrücke zu gewinnen, nur Hotel, Stadtverkehr und Konzertsaal sehen. Doch sie können unheimlich gut so etwas wie wir-fühlen-uns-wohl-und-sind-dankbar-dass-ihr-unsere-Lieder-mit-uns-teilt, Dazugehörigkeit und Miteinander vermitteln.