02. August 2009 - Pippo Pollina & Linard Bardill beim Bardentreffen in Nürnberg

Dreierlei statt einerlei.
von Christel Amberg-Wiegand

Das Bardentreffen ist groß geworden. Fast zu groß. Vielleicht bin ich ja altmodisch. Musikanten sind in der Stadt – und zwar überall. Die beschaulichen, gemütlichen Ecken und Winkel wo Musik hertönt, sind groß und größer geworden. Aber es gibt zum Glück auch noch schöne Plätze mit viel Atmosphäre.

Barde – das ist ja ein altes Wort. Barden sind Sänger. Sie reisen umher und tragen Geschichten und Lieder weiter. Manchmal treffen sie sich – wie zum Beispiel eben auf dem jährlichen Bardentreffen in Nürnberg. Das trägt jetzt den Untertitel „größtes Weltmusikfestival Deutschlands“, wobei Weltmusik ja manchmal so einen Touch von ethno-, alternativ- multi-kulti hat und gelegentlich gewöhnungsbedürftig klingt. Aber nicht auf dem Sebalder Platz. Dort habe ich an einem Nachmittag Musik erlebt, für die wegen ihrer geografischen Dimension das Wort Weltmusik wirklich passt: Fränkische Landmusigg (sehr spritzig, witzig, abwechslungsreich und überhaupt nichts von Diggebaggenmussig). Auch wenn mangels Kenntnis der Eingeborenensprache sich deren Witz mir nicht immer erschließt, hat mir das allein wegen der Musik richtig gut gefallen. Klarinetten, Geige, Akkordeon, Gitarre, Schlagzeug – das ergibt eine originelle Mischung und Temperament vom Franken-Blues bis Franken-Klezmer. Danach rockig-flockig-poppig melodiösen Pop aus Australien. Die beiden Mädels (und der Drummer auch) vom Outhouse Orchestra sind richtig klasse! Tough und mit ihrem herrlich herzerfrischendem Humor begeistern sie das Publikum im Handumdrehn. Abwechslungsreich mit Tempo- und stimmungswechsel ergibt das kein pop-einerlei, dafür sorgen schon die eher unüblichen Instrumente Cello und Querflöte.

Dann setzt der Regen ein – nicht viel und nicht lange, aber genug um störend zu sein. It could be worse – die Wetterfrösche hatten schwere Gewitter angedroht. Trotzdem - es kommt wie’s kommen muss: er bringt Unruhe und die Sicht ist dahin. Schon verkriechen sich viele unter dem absolut lästigsten und für solch einen Ort und Anlass störendsten Gegenstand der Welt: dem Regenschirm. Da ist es nur drunter gut – rechts, links, dahinter ist’s besch…. Er sollte verboten werden. Schlecht sehen kammer gut, aber gut hören ein bisschen schlecht. Trotzdem, eines muss ich dem Publikum lassen: sie harren aus und sind aufmerksam und treu. (ok. die Regenschirmer hätten gehen können). Die gehofft-befürchtete Abwanderung bleibt also aus. Wohin auch? Es sind weit mehr Menschen auf dem Platz als er fassen kann, das Meer der Köpfe reicht weit rechts und links hinaus. Das gefällt mir am Bardentreffen, das Gros der gemeinen Bardenlauscher ist nicht aus Zuckerguss, mit Isomatte und Stühlchen ist er bestens gerüstet, oder ob der Pflastersteine pur auch hart im Nehmen. Er trinkt Bardengetränke (heimisches Bier) und isst Bardenspeisen (Würschtla im Weckla derer drei und anderes mehr) und ist insgesamt ein sehr friedliches Völkchen.

Mit Pippo und Linard kommen dann endlich zwei „echte“ Barden auf die Bühne. Barden spielen Barden-Gitarren und in neuer Zeit auch E-Piano. Sie machen keine Show, einfach nur Musik. Ihre Lieder handeln vom Auswandern, Fremd- und Daheimsein, von Liebe und Freundschaft oder einfach Mensch sein. Diese beiden Barden haben eine Ausstrahlung und eine Präsenz, die scheinbar wie ein Magnet wirkt. Jedenfalls platzt der Platz aus allen Nähten. Sie erzählen Geschichten mit und ohne Musik. Und sie haben Stimmen, die sich wunderbar ergänzen. Sie singen in den Sprachen ihrer Schweizer Heimat (die ja bei allem Weltmusikthema musikalischer Schwerpunkt in diesem Jahr ist), dieses eigene warmherzige Deutsch, Italienisch und Rätoromanisch. Das versteht zwar kaum einer, aber es klingt wunderbar. Pippo kennen sicher ganz viele hier, aber Linard vielleicht nicht. Das ist ab jetzt anders. In Jau t’am e t’amarà und dem bezaubernden Rägebogebuddah erzählt er uns ganz persönliche Geschichten von Vaterliebe und –glück. Seine Lieder sind halt mit Liebe und Herzblut geschrieben. Er umarmt förmlich mit großen ausladenden und kleinen berührenden Gesten das Publikum. Irgendwie ist er ein Menschenfänger. Pippos Lieder verlieren auch auf dem großen Platz nichts von ihrer Schönheit und Intensität. Diese gefühlte Open-Air-Atmosphäre verdichtet sie noch eher. Seine kraftvolle, leise zärtliche Stimme machen Lieder wie Insieme, Terra, Sambadio, Questa nova realta, Siamo angeli im wahrsten Sinne zu Herzensangelegenheiten. Das ist wie ein warmer Regen von innen. Eineinhalb Stunden sind leider viel zu kurz, um eine zwanzigjährige Freundschaft musikalisch zu umfassen. Compare, Dorma, La signora und natürlich Cafe Caflisch und En Leopard im Kaffi und Lampedusa bleiben den neugierigen interessierten bardentreffenerfahrenen wie –neulingen hundertpro im Ohr. Echte aufrichtige Liederbarden – Bardenlieder. Ach ja, Barde – das ist auch eine Speckscheibe auf gebratenem magerem Fleisch (nicht, dass Nürnberg mager wäre!): Pippo und Linard (nicht nur sie) als Speckscheiben, die etwas gehaltvoll und schmackhaft machen. Das gefällt mir!

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de