Stephan Eicher auf Eldorado Tour im Stadtcasino in Basel

>Die Fotos der Stadt<

Ein nettes Vorweihnachtswochenende hatten wir geplant in Basel - gekrönt von 2 absoluten Topereignissen - unserem letzten 2007er Eicher Konzert und am Sonntagabend haben wir uns das noch mit einem Konzert vom "Boss" in Mannheim getoppt. Ein rundum gelungenes Wochenende mit Stadbummel und netten Forumskaffeekränzchentreffen, einzig der Schweizer Wettergott war an diesem Wochenende mal wieder ein bisschen schlecht gelaunt - aber das sind wir ja mittlerweile gewöhnt und unsere Stimmung kann das nicht mehr beeinträchtigen. Es gibt ein paar vorweihnachtliche Basler Stadtansichten und auch ein paar Konzertbilder habe ich mitgebracht - mein besonderer Dank hierfür ans Management. Nun freuen wir uns auf weitere Eicher-Highlights im Jahr 2008.
 

Eldorado Tour - Herbst 2007

>Die Fotos vom Konzert<

Perlen für die Ohrmuscheln…

Wir hatten ein Doppel-Whopper-XL Musikwochenende! Mit Musik, die gegensätzlicher kaum sein kann. Stephan Eicher als „Vorband“, weil im zeitlichen Ablauf zwei Tage vor Bruce Springsteen, dem „Boss“. Da brettern zwei völlig verschiedene Welten auf die Ohren. Das ist wie auf dem Nullten Meridian in Greenwich stehen, der rechte Fuß im Osten, der linke im Westen und trotzdem isses eine Welt! Und was!!! für eine.

Der eine, „The Boss“, ist die pure Provokation. Jede Geste, jede Bewegung, der Gang, immer wieder das Anfeuern der Massen, alles pure Entschlossenheit, hier, jetzt, heute, jeder Ton kraftstrotzend rausgehauen, als spiele er sich warm fürs Kaminholzhacken. Seine Gitarre hält er wie ein Gewehr, feuert Tonsalven wie Gewitterregen in die erhitzte brodelnde Menge der Fans. Geballte Energie bis in die letzte Reihe unterm Dach, der Mann ist wie ein Vulkanausbruch, nur die Zeit stoppt seinen unbändigen explosiven Rock’n Roll nach gut zwei Stunden. Hexenkessel SAP-Arena.

Stephan Eicher hingegen ist Maestro, Gentleman, Charmeur, Diva, ein Verführer, ein Feingeist. Seine Musik durchdacht bis ins Detail. Da ist jeder Ton ein Ausrufezeichen und unumstößlich richtig – jedenfalls für diesen einen Moment. Und ist dann unwiderruflich vorbei und nicht reproduzierbar. Der ihm absolut angemessene Rahmen ist ein geschmackvoll eingerichteter verschwenderisch schöner Barocksaal im Stadtcasino von Basel. Ein Ort wie für Musikgötterboten geschaffen: Marmorsäulen – und büsten, Volants an Fenstern und Wänden, bequeme Fauteuils, vier große imposante Kristallleuchter, die den Saal und seine Pracht ins rechte Licht rücken, eine große Bühne mit großer Projektionsfläche für das perfekt inszenierte Spiel von Licht und Schatten, ein Balkon, der die luftige Höhe umsäumt. Dieses kleine Lautsprecherrondell weit oben an der Decke soll für den guten Ton reichen?

Beide sind Lichtgestalten. Mangelndes Selbstbewusstsein ist ihre Sache nicht. Überheblichkeit auch nicht. Sie und ihre Musik strahlen eine gesunde Überlegenheit aus. Kontakt mit dem Publikum sucht der eine über die großen Gesten und ohne viele Worte. Es sieht aus, als scheuche der Boss die Massen vor sich her, wenn er auf seinen Rundgängen auf der Bühne sie immer wieder neu anstachelt. Was er zu sagen hat, tut er hoffentlich noch lange … und laut! Deswegen steht er noch lange nicht gramgebeugt auf der Bühne, im Gegenteil… Stephan Eicher ist näher beim Publikum, auch wenn er manchmal distanziert wirkt – Selbstschutz? Da pocht doch ein brodelndes Herz und brennt eine fiebrige Musikerseele! Ich bin schier geplatzt vor lauter Power beim Boss und war fiebrig, ausgelaugt, fühle mich bloßgelegt und verwundet und über allem schwebend bei Stephan Eicher. 

Ein Lichtspot weist ihm den Weg auf die dunkle Bühne. Der frenetische Beifallsorkan zieht ihn förmlich herein. So einen Empfang habe ich selten oder nie erlebt. Ich bin völlig von den Socken, ja, wo bin ich denn hier? Das Publikum tobt sich schon warm, und Stephan hat noch nicht einen Ton gespielt! Welch eine Ahnung geht diesem Abend voraus? Two People in a Room zwingt uns zur Mäßigung und angemessenen Würdigung. Er baut eine Wand von Gitarrensound vor sich auf, ein Echo seiner selbst, eine akustische Täuschung, denn da ist nur einer, aber ich höre Duzende. Singt Stephan in die Gitarre? Oder bin ich wirr? Dann, Pas d’ami comme toi explodiert in einen phänomenalen Raumklang – die Gitarre wird zum Volumeninstrument, der Klang quillt auf, ergießt sich in diesen Saal wie ein vibrierender scharlachroter Knall. Das Jackett fliegt in den Bühnenhintergrund, SE im El-Dorado-Outfit ist ein bisschen Augensex.  „Ob’s ebbis Neues sein darf“, fragt er schalkhaft, „so schlecht ist das nicht“ und schon sind wir bei Eldorado. Reyn macht es erst dramatisch, dann nimmt es Fahrt auf, gemeinsam schaukeln sie sich auf, noch höher, noch mehr, noch dynamischer, in einen wunderbaren Taumel hinein. Jetzt erst, zu Manteau de gloire kommt auch der Rest der Band, Martin klöppelt und streicht mit dem Bogen die Metalle … eigenartig betörend, diese schwirrenden Töne im Hintergrund …

Die Wogen der ausgelassenen Stimmung schwappen zwischen Bühne und Saal hin und her und kitzeln bei jedem noch ein bisschen mehr heraus, mehr…. mehr… Reyn schickt aus seinen Tasten tiefste Tubatöne in den Saal und kündigt damit völlig untypisch Hemmige an. Toby und Martin machen auf Zeremonienmeister am Bühnenrand, organisieren den SaalChoooohhhhhrrrr, fangen ihn ein und sampeln ihn lustvoll in ihr übermütiges Gesamtkunstwerk. Eine Plastiktüte und sogar ein Luftballon müssen herhalten für die passende Geräuschkulisse… alles was klappert, scheppert, ratscht und quietscht, ein furioser Ritt durch Mani Matters Masterpeace, dann sehe ich Stephan mit Martin verschwörerisch flüstern, und dann bahnt sie sich ihren Weg, die calexio- und jetzt auch eichertypische Mariachitrompete des Martin Wenk. Ein grandioses mexikanisches Schweizer Dorffest. Der Saal tobt! Wo bin ich denn hier? Ist das die Schweiz? Ist das Basel? Die wohltuende Anspannung lässt nicht nach, auch wenn der Dramaturg jetzt mit I Tell this night und Weis nid was es isch eine ruhigere Gangart vorsieht. Niemand sonst kann so verletzlich Stärke ausstrahlen und gleichzeitig Seele offenbaren und das Herz auf der Zunge tragen. Das sind Momente von erhabener Schönheit. Toby wischt nur leicht über die Felle und die Töne zweier Gitarren leuchten wie flüssiges Gold. Als hätte der Mann am Licht meine Gedanken erraten, taucht er die Bühne gülden. Jetzt sterben wäre ein glücklicher Tod. Leider so endgültig. Farbwechsel. Redlightdistrict Stadtcasino Basel, sieht irre gut aus, das Publikum ist weltklasse, Reyn jetzt am Bass hüpft sich hinein in den Rhythmus und den ureigenen Sound von Confettis. Doch das alles ist noch steigerungsfähig! Das alles war nur Vorspiel. Jetzt geht’s erst richtig los! Sie fackeln nicht lange, stampfen, rumpeln, wuchten sich durch Combien de temps, geben Gas mit ohne Gewähr auf gar nichts! Martin steht da im Lichtspot wie der Verkünder: AlarmAlarm! Hier ist vorn. Hier ist oben. Toby ist inzwischen Weltmeister im Bühnenspurt und Hindernislauf. Zuckendes weißes Licht perforiert das Dunkel, Bass und Drums übernehmen Steuerung von Puls- und Atemfrequenz. Ein unbändige, ungezügelte Lust am gemeinsamen Lärmen auf höchstem Niveau! Jetzt genau könnte hier eine Tram durchrumpeln, es würde nicht einmal auffallen! Absolut Eicher-like!

Es fehlen noch zwei der C-Songs. Commercials schafft ein kurzes Break in die Stille. Martin füllt die plötzliche Leere mit einer unsagbar blauen Trompete, Reyn schiebt das Piano drunter, Stephan sitzend, erwartet das go! Und dann geht es los aus dem nichts. Tobys Besen über den Fellen klingen so flüchtig wie ätherische Dämpfe verfliegen. Dazu noch die Jazztrompete, sie packen mich, schütteln mich durch und lassen mich völlig verwuscht wieder fallen. Aus dieser beinahe unwirklichen Stimmung heraus lotst Stephan uns seeeehr galant auf den Weihnachtsmarkt vor der Tür. It’s christmas time, es gibt Vertonungen von Glühwein, in einem Winterwonderland von wünsch-dir-was in Variationen von Campari virtuos und stilecht von Reyn kredenzt. Sehr zum Wohl! Auch Toby macht Variationen von … all inclusive, es kostet nicht mehr! Nur fast den Verstand… Von Apéro bis Sundowner – alles in einem, Martin hat jetzt die Stromgitarre geschultert, Reyn spielt wie trunken für sich selbst, so verloren in den Tönen der Schwindel erregenden Getränke. Und Stephan schaut mit dem Rücken zu uns zu seinen Jungs, und auch das ist leicht Schwindel erregend….

Bisher liegen sie im bekannten Plan. Doch nichts ist so berechenbar unberechenbar wie ein Set bei Stephan Eicher und behält dabei seine Magie! Einmal mehr anders, neu, überraschend… heute neu: Das Guggisberglied. Großes Pathos und Heimatgefühl hören sich bei ihm kein bisschen kitschig und verstaubt an. Im Gegenteil, jede Note Guggisberglied hat ehrliches aufrichtiges Heimweh, Herzweh, wie schon seit mehreren hundert Jahren. Volksnähe klingt wunderbar. Das Publikum schwelgt in der Melodie, huldigt diese bitter-süßen Weise wie ein schönes Vermächtnis. Martin am Horn schwingt sich hinauf und hält alle Emotionen dort fest… unfassbar schön.

Ist das jetzt schon Bühnenflucht oder nur die erste Rate des Abschieds? Auf jeden Fall ungenehmigt. Standing Ovations, das Publikum sagt klipp und klar und unüberhörbar mit trampelnden Füßen als Ausrufezeichen: wir wollen noch nicht gehen, bitte bitte bleibt noch, kommt zurück! Es ist 21.35 h, zu früh für das Nachtleben, zu spät für einen Abend vor der Glotze. Sie kommen zurück. Tosender Beifall. Plötzlich geht das Saallicht an – und nicht wieder aus. Der Mann am Licht gestikuliert wild… Haben sie es kaputt gespielt, oder wollen die Jungs in die erhitzen Gesichter gucken? Dejeuner en paix ist angerichtet. Verwirrung. Plötzlicher Abbruch und Neustart mit dem Doppel-Drumset, Martin am Bass jetzt, Stephan mit dieser neuen Baritone-Gitarre, klingt irre gut nach Rock’n roll, schmutzig, ein bisschen derb, … kurz getaktet im blau-weißen Licht, kein Gourmetfrühstück, breitbeinig gerockt, ein Gebirge, ein Monstrum von Musik wovon es kein Entrinnen gibt und durch das fast kein Durchkommen ist. Rock’n Roll im Affekt! Knüppeldick und laut! Sie schleudern die Noten mit einer Zentrifugalkraft in das Universum und in alle Ohren wie nach dem Urknall.

Dann wieder ein Bruch in diese spannungsgeladene treibende Melodie von Voyage. Toby in seiner unnachahmlichen Präzision gibt dieser unsagbaren Zerbrechlichkeit ein Fundament und trotzdem fühle ich mich wie auf Treibsand, der mich wie ein Sog nach innen zieht. Es ist der G-Punkt im Eicher’schen Repertoire, und wieder sind es das Horn und die anderen wenk’schen Verführungen am Vibraphon, die mir innerlich Gänsehaut machen. Doch nicht genug der wunderbaren Pein. Eine kleine Rarität liegt noch bereit: Cendrillon après minuit habe ich seit der Offenbarung Taxi-Tour nicht mehr gehört – und jetzt so! Keine Ahnung, welcher Feuerteufel da mit im Spiel ist. Sie machen es zum großen himmelstürmenden Fest auf der großen Piazza. Sie packen die spanischen Gitarren aus, Toby diese überdimensionalen Kastagnetten und Martin ist darin sowieso Fachmann! Die Vier feiern mit uns ein furioses grandioses Volksfest voller überschäumendem Temperament, voller Witz und Spaß und Übermut. Nachdem sich das Fest verlaufen hat, gibt’s Shakehands für dieses musikalische Kabinettstückchen. Rendez-vous bleibt dann im Thema, Olé, kein Nachlassen, keine Müdigkeit ist zu hören und zu spüren. Es ist immer wieder ein Ereignis! Olé!

Die zweite Bühnenflucht ist ebenso wenig erlaubt wie die erste. Füße trampeln, Pfeifen, Klatschen, endlos, der Höllenlärm verpflichtet Stephan und seine Jungs auf die Bühne zurück. Es ist 21.55 h. Ich sehne Zrügg zu mir herbei und fürchte gleichzeitig die letzten Töne. Ein letztes Mal tief durchatmen, mich verlieren, tief eintauchen, die Anspannung genießen, nach Luft ringen … zwei kleine Stunden Ewigkeit sind dahin.

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de