Stephan Eicher auf Eldorado Clubtour in der Schweiz

Diese schweizer Clubtour lädt uns also diesmal zu einem Frühsommerurlaub in der Schweiz ein. Erfahrungsgemäß ist uns der Schweizer Wettergott nie gut gesonnen - warum konnten wir bis dato noch nicht ergründen - jedesmal wenn wir uns in die Schweiz wagten drohten wir entweder im Regen ersäuft, im Schnee begraben oder aber in Gluthitze abgekocht zu werden. Auch diesmal wurden wir zu Pfingsten bei den Luzerner Freunden mit Sintflut und einem schneebedeckten Pilatus empfangen. Da wir uns diesmal jedoch hartnäckig zeigten und 2 Wochen lang jeden Tag von unserer Basisstation am Hochrhein  wieder aufs neue in die Schweiz einreisten wurden wir endlich auch mit ein paar schönen warmen Sommertagen belohnt aber nicht ohne die täglichen Gewitterwarnungen wenn wir des Nachts wieder ausreisten bis zum nächsten Tag....aber es hätte auch dauerregnen oder dauerschneien können - wir hätten uns nicht davon abhalten lassen an fünf wunderbaren Konzertabenden unser Eldorado zu suchen und auch zu finden. DANKE an Stephan und seine Crew! Alle Daumen hoch sind mein Resumé und mit noch größerem Respekt ziehe ich immer noch meinen (nicht vorhandenen) Hut - vor ihm und seinen Musikern: Reyn an Tasten und Bass, Toby Dammit an Drums und Percussion und Martin Wenk an Trompete, Harp, Gitarren und Vibraphon!
 

Eldorado Clubtour - Juni 2007

>Fotos gibts hier<

Und hier das Elodrado-Resumé meiner Haus- und Hofschreiberin Christel - Danke dafür!

Das Eldorado der Schweiz

Eben noch auf Korsika und jetzt die Schweiz. Stephan Eicher ist ne Herausforderung! Diese Art Urlaubvergnügen gibt’s in keinem Reisebüro der Welt. Welch ein Glück, dass die Basis für diese Schweiztour in einem beschaulichen kleinen Ort nahe der Schweizer Grenze liegt, von wo aus wir immer wieder aufbrechen, um unser Eldorado zu finden. Und spät nachts dorthin zurückkehren, um die Sterne zu zählen… Nach zwei schönen Wochen krönen wir das nächtliche Clubleben mit einem Picknick am Bieler See. Der Urlaub ist zu Ende und die Tour am nächsten Tag auch.

Clubkonzerte sind so besonders, ich liebe die Nähe zur Bühne, auf Entfernung einer Armlänge nah am Geschehen, manchmal in Augenhöhe, O-Ton Bühne. Ich liebe diese Atmosphäre einer gewissen Intimität. Ich genieße dieses Fieber vorher. Es treibt an. Diese innere Spannung und macht kribbelig wie das Warten aufs Christkind. Jedes Konzert ist wie ein hübscher Rausch, aber ohne hässliche Nebenwirkungen. Aber kräftezehrend und gleichzeitig aufputschend. Die Glückshormone sprudeln jeden Abend mehr. Es ist aufregend und interessant, etwas Neues zu entdecken, vielleicht eine Idee, eine Inspiration aus der Spontaneität des Augenblicks. Jedes Konzert ist einzigartig. Bei fünf Konzerten sind fünf einzigartig, aber bei weitem nicht gleich. Deshalb ist einmal nie genug. Der Reiz jedes Abends ist das Ungeplante ... und dass diese vier Musiker nicht jeden Abend ihr Programm runterspulen ist ebenso klar.

Das Gold aus Eldorado steckt matt schimmernd im fetten Gestein der Vergangenheit. Es hat seine Bühnenunschuld schon beim BlueBalls und auf Korsika verloren und wetteifert nun um die Gunst des Publikums. Das Gold ist in der Schweiz und in Frankreich schon hinreichend bekannt, jetzt geht es in die Produktpräsentation in der Werkstatt auf den Bühnen der Schweizer Clubszene.

Das erste Konzert im Salzhaus in Brugg hinterläßt dieses ohnmächtige WOW-Gefühl und die unbändige Vorfreude auf vier weitere Eldorados. Das Salzhaus ist eher klein, urig, rustikal, mit Holzboden und schwerer Holzdecke und mächtigen Stützbalken, während die Chollerhalle in Zug eine moderne stylisch leicht unterkühlte Konzertarena ist. Und da geht richtig die Post ab. So sehr, dass auch Stephan sich fragt, warum er nicht schon viel früher hier gespielt hat. Und das Berner Bierhübeli hat einen sehr schönen Saal, edel, gediegen, mit Balkon und Stuckarbeiten an den Säulen. Das Volkshaus in Biel hat eher den Charme eines Kongress-Saals, schmal und lang und etwas steif. Und dann wurde es ein bisschen zum Tollhaus. Allein die Kammgarn in Schaffhausen war uns als klassisch-modern und für bestes Clubfeeling bekannt. Dort hörten wir mit Bern das beste Eldorado der Tour. Rappelvoll bis ausverkauft waren sie alle und überall spürten wir die herzliche Schweizer Gastfreundschaft. Ein wirklich tolles Publikum, so textsicher wie stimmgewaltig. Zwischenrufe und ihre bereitwilligen Vokalübungen oder kollektives Gläserklingen beweisen wahre Ergebenheit. Stephans verschmitzter Charme blitzt immer wieder hinter seiner wohldosierten Zurückhaltung auf, wenn er in Plauderlaune ist. Die Schweiz ist Eicherland. Die Schweiz ist Homeland. Wenn es so etwas wie Heimweh gab, hat es ihn gut gelotst.

Die Schweizer Imageprodukte im Ausland sind neben Schoki im Allgemeinen und Toblerone im Besondern und Käse und dem Matterhorn natürlich Stephan Eicher. Er ist auf dem Weg zu seinem Eldorado viele und lange Wege gegangen. Durch die ganze unermessliche Welt der Töne und Klänge, aber vor allem wohl zu sich selbst. Wie könnte er seine Musik weitergeben, wenn er sie nicht in sich gehört hat? Er ist König und Diener seiner Songs. Man sieht es ihm an, wie tief er gräbt, er ist völlig darin versunken, hält die Fäden in der Hand und ist unser Zeremonienmeister und Dompteur der Band („Toby, Drums!; Martin, einen einsamen Ton bitte, noch einen, er ist so schön!“).

Minimalismus jedenfalls ist ihre Sache nicht! Der Set erweckt den Eindruck, als spiele hier gleich eine Bigband auf. Der Schein trügt. Sie sind bloß zu viert. Allabendlich ist es eine Show für sich, wie akribisch die Roadies den Set prüfen und richten, bevor es endlich losgeht. Erst wenn sie zum x-ten Mal alles kontrolliert haben, die Mikros eingeschmatzt, alle Gitarren geputzt, alle Stecker noch mal überprüft, Martin und Reyn ihre Setlisten geordnet haben, ist alles gut. Dann erst, kurz vor knapp, wird Stephans Apple hineingetragen (fehlt bloß noch das rote Samtkissen!). Wie viele Kilometer Kabelgewirr verschlängeln sich da auf der Bühne?

Stephan als Admin of Apple und allerlei Fußgerätschaften bekommt die Gitarren angereicht. Immer blitzblank und in tune. Toby glänzt mit allem was guten Lärm macht. Batterie, Vibraphon usw. Martin tummelt sich hinter seinem riesigen Xylophon, hat Trompete und Horn parat, Gitarren selbstredend und noch ein paar nette Kleinigkeiten mehr. Singen müssen sie sowieso, jeder und in allen Sprachen. Reyn ist Künstler der Meisterklasse, er macht ausgelassene Heiterkeit und tieftrunkene Trübsal hörbar, klassisch elegant, jazzig, bluesig, einfach alles. Der große Yamaha-Flügel, daneben das Rhodes-Equipment, ein kleines Drumset und der E-Bass stehen parat. Und wenn man ihn bitten würde, eine Chackanucka zu spielen, würde er sicher noch fragen, ob rechts oder links herum. Und Toby und Martin würden sich Arme wachsen lassen und begeistert mitmischen. Und es würde klingen wie das Richtigste und Selbstverständlichste der Musikgeschichte überhaupt. Noch Fragen? Nur um Wiederholungen zu vermeiden, schreibe ich nicht, dass die Herren Musiker einfach genial sind! Ich glaube, sie sind in ihren Köpfen auf eine besondere Art miteinander verbunden und haben dabei so viel Freiheit wie nur irgend möglich … und machen sie hörbar. Wenn man das sichtbar machen könnte, wäre es ebenso ein Kabelgewimmel wie am Boden. Ich beginne irgendwann zu verstehen, dass die Jungs nach 1h45 platt sind, sie arbeiten jeder für drei! Zeit ist relativ und diese hier zählt mind. doppelt! Die gefühlte Zeit lügt.

Ein grandioser Opener und eine wirkungsvolle Inszenierung: aus dem Bühnenhintergrund dringen leise die Mundi hervor und ein paar Akkorde, aus dem Dunkel kommt Stephan ins Licht, ein Schwall von Applaus braust auf und begleitet ihn zu seinem Platz. Reyn lockt ihn mit filigranen Klavieretüden auf die Bühne und dann kommen auch Toby und Martin dazu. Viel zu selten werden die drei mit Applaus empfangen. Weiss nid was es isch hat die korsische Leichtigkeit wieder. Wie ein Vogel fliegt es dahin, der schwere, basslastige Hintergrund der CD-Version ist weg. Danach folgen Pas d’ami und Manteau de gloire. Da hat Stephan schon dreimal die Gitarre gewechselt, Toby allerlei Gerät am Treiben und Martins Trompete mit diesem letzten alles überstrahlenden Ton die erste Hühnerhaut und Höhepunkt und erste Überhitzung bewirkt.

Selbstverständlich ist das Gesamtbild von Eldorado durchgängig gestaltet. Von der Website bis auf die Bühne ist alles geschmackvoll in diesem nichtschwarz/nichtweiß gehalten. Große, runde Leuchten und güldene und schwarz-weiße Lichtschirme sorgen für ein ruhiges Bühnenbild und gedämpftes Licht. Außer wenn sie mit  On nous a donné/ Ce peu d’amour und Combien de temps Starkstrom durch die Clubs jagen. Dann flackert grelles schnelles Licht wie Elektrobeats durch den Kopf. Ein Segen, hier kann ich mich bewegen, endlich tanzen, ich könnte zerspringen. Stephans Go! Go! Go! Anfeuerungsrufe, mit einer Spur guter Aggressivität gleich einer gewaltigen Adrenalinentladung peitscht die Jungs noch mal ein Stück nach vorn, er fordert und gibt alles. Er sieht natürlich umwerfend gut aus in seinem Eldorado-Bühnenoutfit. Dieses Mannsbild als Rocker und Edelbarde zieht alle Register. Die Locken fallen ihm wild ins Gesicht, gezügelte Leidenschaft zieht blank. Reyn vervielfältigt sich an den Tasten, springt auf und schultert den Bass, stampft sich durch ein paar Takte und weg damit und ran an das Drumset und noch mit nem Drumstick zwischen den Zähnen wieder zurück an die Tasten. Wahrscheinlich kriegt Martin deshalb das Lachen ins Gesicht. Derweil lässt er mit der Mando-Gitarre Confettis regnen, malt mit dem Cellobogen Töne wie Aquarelle in die Luft oder macht mit Trompete oder Horn Alarm. Manches gleichzeitig. Toby spurtet gar bei Combien de temps quer über die Bühne, um am zweiten Drumset einen Loop einzuspielen und wieder zurück oder rüber ans Vibraphon, Schlieren wie in Zuckerwasser zaubern oder an Klanghölzern, Kastagnetten, Triangel oder oder oder. Hemmige hat wieder das Smoke on the water-Intro und La Gualante wird vor lauter Übermut dreimal ausgebremst und neu gestartet. Knarzen und Knistern verrät den Campari Soda über den Wolken … Die Gassenhauer aus einer anderen Zeit hat Stephan längst adoptiert und bringt sie bunt und übermütig frech unters Volk. Da ist eine unglaubliche Fülle und Dynamik in der Musik, alles so dicht und kompakt, aber nichts überladen, kein einziges to much.

Die ominöse Nr. 13 der Setliste ist heiteres Ratespiel oder Joker. Natürlich haben die Jungs da ein paar Sachen in Petto und natürlich kann man sich etwas wünschen und natürlich spielen sie doch was ER möchte. Aber es ist ein schönes Spiel und daraus entstehen dann so herrliche Kuriositäten wie Eisbär 2007, der selbstverständlich Knut heißt und ein sehr schön ruhiges Venez danser (Martin hatte anfangs Fragezeichen im Gesicht und hat sich dann höchst effektvoll eingemischt). Die Krönung der Frechheit aber ist diese lasziv scharfe Bluesversion von den Limmatquaimädchen. In Bern natürlich geben sie eine überaus kreative, absolut gelungene Westernversion von d’Rosemarie und I. Einmal mehr applaudiert Stephan seinen Jungs für ihre Heldentaten. Wenn es sie nicht gäbe, müssten sie glatt für ihn und seine Musik erfunden werden. Die gehen wirklich durch dick und dünn! Das Guggisberglied verzaubern sie ganz und gar, da singt das Publikum inbrünstig mit. Wie kann Heimweh so schön sein?

Pas déplu hat den korsischen Schwung behalten. Charly ist Weltschmerz, tieftrunken, verwundet. Pianobar, abgehangen, benebelt, verträumt, dahingleiten, gedankenschwer, leise darin die Mundi, dann wieder diese Trompete, die die blaue Stunde noch blauer macht. Ich rieche förmlich die rauchgeschwängerte Luft vermischt mit reichlich Volumenprozenten. Ich bedauere sehr, dass Helpless nach den ersten beiden Abenden rausgefallen ist und freue mich umso mehr, dass Voyage endlich Bühnenerlaubnis bekommen hat. Einmal wenigstens. Da ist irgendwo untendrunter etwas, das mich zwingend an Bolero erinnert. Es entwickelt eine treibende knisternde Spannung. Riesig! Leider einmalig! Wie auch Commercials. Eine Oase der Entschleunigung. Schön jazzig. Traumhaft, laid back, kommt live noch viel intensiver rüber, unerträglich schön. Stephans sinnliche Stimme und Tobys Besen, die kaum die Becken zu berühren scheinen, lassen mein Herz höher schlagen. Eldorado kann man erst nur erahnen am Horizont, dann wird es immer größer und prächtiger. Es wird meine Lieblingsnummer. Mein blow-up. Wie sie das auf die Bühnenbretter nageln ist wirklich der Hammer. Und mich an den Marterpfahl. Denn verdammt schade, dass es auch das Ende einläutet. Stephan vertreibt plötzlich seinen Tastenmann an die Drums und übernimmt die Keys. Sie zelebrieren es ausgiebig, vielleicht die schönsten zehn Minuten jedes Abends. Sie lassen sich Zeit, je länger, je schöner der Schmerz! 1. Abgang. Doch ohne Déjeuner dürften sie wohl nicht von der Bühne gehen. Der Refrain ist immer Publikumsangelegenheit. Und mit dem letzten Ton bläst Martin zum Rendez-vouz und mir fast den Boden unter den Füßen weg. Kopfkino: ein flirrender Horizont täuscht eine Fata Morgana vor jenseits von Irgendwo in der Unendlichkeit, heißer Wüstenwind, Staub, trockene Hitze nimmt die Luft zum Atmen, dann schwebt ein Ton in der Luft … und plötzlich Stille. 2. Abgang. Ein heftiges, stürmisches, leidenschaftliches Rendez-vouz, die Leute sind wirklich außer Rand und geben alles. Ein Sauerstoffzelt müsste her, kein trockener Faden an niemandem mehr, das Eldorado-Outfit ist längst durch.

Die allabendlichen Rituale der gegenseitigen Wertschätzung nützen gar nichts. Aber sie tun unendlich gut. Beidseitig. Stephan verteilt Knuddels an seine Jungs und wirft Herzküsse ins Volk. Das wirft einen gewaltigen Applaus zurück, aber da hilft auch kein noch so hartnäckiges, mit allen Mitteln Betteln, es ist vorbei! Solitaires muss ich weiterhin er-warten. Letztlich haben sie uns neun von elf Pieces des Eldorado Goldes präsentiert. Und jedes Mal mit Wertsteigerung. Und ich dachte wie oft, wenn alles mal wieder förmlich überblubberte und die Begeisterung schon gar keinen Platz mehr hatte, HIER ist sie doch nun wirklich verdient, eine echte Zugabe … aber nein, nach zwei geplanten Zugaben ist Schluss. Unverlängerbar. Der Applaus ist und bleibt nur ein Gradmesser der Begeisterung. Die Eieruhr ist abgelaufen und niemand dreht sie noch mal um. Zrügg zu mir verabschiedet uns in den frühen Abend. Ein Text so schlicht wie wahr. Leise und eindringlich ist es und unvergleichlich schön und ein bisschen sentimental auch. Es lässt mich Schmunzeln und ein tiefer Seufzer entfleucht meinem traurigen Herz. Ich erlaube mir, den Titel umzudeuten: ja, wir kommen zrügg, im Juli nach Zürich in das altehrwürdige Landesmuseum, das Gefühl von vor drei Jahren wieder aufleben lassen, ein schönes Dejà-vù erleben.

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de

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