Da taucht er auf
aus dem Dunkel des Bühnenhintergrunds, wird im ersten Lichtstrahl
schon umjubelt, streicht sich das Haar aus der Stirn, schwungvoll,
bringt die Saiten der Gitarre kraftvoll zum Klingen und - steigert
sich rein in die Tiefen der Seele, befördert mit Mimik, Stimme
und harmonischen, rhythmischen Gitarrenklängen sein Innerstes
nach außen: Freude und Schmerz, Nähe und Ferne, Erkenntnis
und Zweifel, das JA und das NEIN. Mal scheint er scherzen zu
wollen, lächelt verschmitzt, zeigt so etwas wie kindliche Freude,
tänzelt - und es macht mir Spaß, ich lächle mit.
Meist jedoch ist er ernst, schließt die Augen, wenn er seine
Lieder zelebriert, ist konzentriert nach innen gekehrt und besingt
mit fast schmerzender Traurigkeit, aber auch mit sich steigernder
pulsierender Wut das Absterben von Gefühlen, das Ende von Zuneigung
und Liebe, die Kälte der Menschen - und ich leide mit.
Stephan Eicher wagt den Tanz auf dem Vulkan, er wagt Schuberts emotionale
Gratwanderung zwischen "Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat
sie so gemacht" und "...muss selbst den Weg mir zeigen
in dieser Dunkelheit". Dabei ist er überzeugend, ohne
jegliche Star-Allüren, ehrlich und ernsthaft, authentisch und
klar. Es ist schon phänomenal, in welches Wechselbad der
Gefühle und Stimmungen mich dieser grazile Mensch da oben auf
der Bühne wirft. Da trägt er einen dunklen Nadelstreifenanzug,
weißesHemd und dunklen Schlips und ist doch alles andere als
linear oder schwarz-weiß oder gar konform. NEIN, dieser
Maestro ist fühlbar menschlich, ist kritisch, einfühlsam,
beweglich und voller Temperament; er rüttelt auf, er verwirrt
und beschwichtigt; er haucht herzerweichende Seelentiefe ins Mikrofon
und zündet gleich darauf ein emotionales Feuerwerk aus Worten,
Klängen und Rhythmen. Beim nächsten Lied nutzt er die
Weite der Bühne, ist Beschwörer, Ankläger und Hexenmeister,
die Haare fallen ihm wild übers Gesicht und er "...wird
nicht müde und lässt nicht von dir".
Für mich war
es das erste Konzert von Stephan Eicher - nun trage ich ihn, ich
hoffe auf "ewig", in mir. Wie ein Geschenk ist dieser
charismatische Musiker für mich und jeden Menschen, der mit
dem Herzen hört und sieht. Eine feste Größe
auch seine Band: Sie versteht und umrahmt ihn, sie bereichert ihn,
ohne ihm den Glanz und die Einzigartigkeit zu nehmen, sie arbeitet
ihm zu und gestaltet die Lieder aus, ohne sich aufzudrängen.
SEHR ANGENEHM. So gibts guten, straighten, puren Rock, ohne Schnörkel,
ohne komplizierte Solopartien, dafür mit viel Übersicht,
Klarheit, Direktheit und voller thematischer Präsenz (etwa
bei den beschwörenden trance-artigen Instrumentalpassagen von
"Two people in a room").
Irritierend für
mich, aber nichtsdestoweniger faszinierend: die auf das Konzert
abgestimmte Video-Projektion der Taxi-Europa-Tour als dynamisches
"Bühnenbild". Irritierend weil meine Augen manchmal
schnell hin und herspringen zwischen menschlicher Aktion vorne und
visueller Aktion hinten: hey, diese rasante, schwindelerregende
Tunnelfahrt mit den gigantischen Lichteffekten - ich will nichts
versäumen!!! Aber eigentlich will mein Herz Muse, will nur
in die MUSIK tauchen, will voll und ganz die Lieder zelebrieren
und genießen, nicht abgelenkt werden. Das Bühnenbild
ist hingegen auch über die Maßen faszinierend, weil Musik
und Bilder sich so gekonnt entsprechen, ergänzen und vereinen,
weil Bildschnitt und Bildmontagen die Musik noch weiter ausmalen
und beseelen und beide sich dann zum Gleichklang aufschwingen (etwa
bei der Seilspringer-Szene). Da schalte ich dann mein musik-süchtiges
Herz aus und lasse meinen Kopf sagen: KOMPLIMENT, das ist perfekt.
Es war alles in
allem ein faszinierendes und beeindruckendes Konzert und eine rundum
überzeugende, perfekte Performance. Der Abend hinterlässt
bei mir tiefe Bewunderung, ein herzliches DANKE und ein starkes
Gefühl von LIEBE. Ciao-ciao Stephan!
Karin Otto für
www.taunushills.de |