Covermäßig was eingeprasselt
Streifling & Freunde & Foolsgarden im Alten Dorfsaal zu Brenig - 15.12.2006

von Christel Amberg-Wiegand:

Sind nicht Foolsgarden angekündigt? Ja, schon, aber da stehen Jens und seine hochkarätig besetzte OnceAYear-Band auf der Bühne! Ole, Danny, Tommy und - als faustdicke Überraschung - Frieder am Bass. Man kennt sich halt… Just-for-fun treffen sich die Jungs alle Jahre wieder im Vorgebirge. Und schon steigt der Brenig-Dax auf einen Jahreshöchstwert. An drei Abenden wollen sie den Kurs hochtreiben. Die hauseigene Marketingabteilung meldet sold out. Und die Jahreshauptversammlung kann beginnen.

Es geht ohne Vorgeplänkel zur Hauptsache, kein sich rantasten, kein warmlaufen, nein, Kaltstart mit Caroline. Und Ole bläst mit einem satten Gitarrenriff jeden Gedanken weg… explosiv, entfesselt, von ihrer eigenen Mucke angetrieben… nach einem Jahr Brenig-Abstinenz lassen die Jungs jede Menge Dampf ab und haben sich dazu ein paar feine Gelegenheiten auf die Setliste geschrieben. Jeder punktet und gemeinsam erreichen sie Höchstwerte im Dorfsaalhimmel. Danny schraubt eine ungeahnte Wahnsinnsstimme aus seiner Kehle, das Motto des Abends steht fest: Play that funky music hat das Feuer entfacht. Ohne Verschnaufpause geht’s weiter mit Life, Rock’n Roll pur und Jens ist der Hau-den-Lukas in Person, der reinste Overkill.

Wir erinnern uns alle voller Bewunderung an Sheryl Hackett, die hier den Saal auf links drehte. „Wir könnten übers Wasser gehen“ sagte sie einmal zu Jens. Heute gehen wir ein Stück mit den beiden, Jens hat ihr einen liebevollen warmherzigen Ich-vermisse-dich-Song geschrieben, da ist’s plötzlich ganz still im Saal. Dannys Part II setzt ein ganz relaxtes Easy like a Sunday morning mit diesem berühmten kleinen Kiekser darauf, wunderbar, ein Stück für die Hängematte.

Frieder beweist Songwriterqualitäten mit ner funky-groovigen Eigenproduktion, Ole verzehrt sich an seinen Gitarren, lebt den Brenig-Rock aus, Tommy ist wie immer Herr aller fellproduzierten Rhythmen. Die Setliste ist voller Überraschungen. Jeder hat seine persönlichen Goodies in den Hut geworfen. Sie fahren in der musikalischen Vergangenheit weit zurück mit einem Ossi-Oldie Es gibt Momente und Neil Youngs Heart of Gold, Viva la Divas Die kleine Prinzessin – alle Jens auf den Leib geschrieben, jetzt dreht er mit Sax und Mundi den Saal auf links! Mit fetter Stromgitarre gibt’s eine weitere Ehrerbietung an Stoppock. Dessen Dumpfbacke-Refrain klingt aus 200 Kehlen wie ein Dampfhammer… Dumpfbacke! Dünnbrettbohrer! Weichei! Abführ’n! Die gefühlte Temperatur liegt bei 45 Grad mit 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, normales Dorfsaalklima also. Die Erderwärmung beginnt hier! Beste Bedingungen für das große Piano-Intro, das Hurricane ankündigt, er entwickelt sich, nimmt Kraft auf und peitscht schließlich mit gewaltiger Power durch das Publikum. Unfassbar, was Ole aus sich und seiner Gitarre rausholt, alle drehen den Pegel hoch und warten auf die Stille nach dem Sturm…. Pause, sich Sammeln, Sortieren… Zeit zum Bier aufnehmen…

Ach so, ja, Foolsgarden! Natürlich waren sie auch da! Und wie! Der Hausherr hat lediglich die Inszenierung überarbeitet, hat die Jungs ins Sandwich genommen. Mit gesundem Selbstbewusstsein und obwohl ein bisschen verwuscht, kommen Peter und Volker – seine Augen hinter ’ner großen Sonnenbrille versteckt – was woll’n sie uns damit sagen? auf die Bühne. „Grandiose Vorband“ untertreiben die Jungs mit Kennermine und fackeln ein Feuerwerk ihrer schönsten Songs ab. Sad zum Einstimmen, immer gern genommen ein Beatlestitel Hello Goodby, viele Histörchen hinter den Songs und das unvermeidliche aber schöne Lied aller Musikerväter für ihre Töchter heißt bei Foolsgarden Count on me. Die nicht angenommene Fußballhymne für das Sommermärchen des Jahres 2006 war I got a ticket. Da höre ich es zum ersten Mal und weiß im nachhinein warum… Peter und Volker sind perfekt aufeinander eingespielt und wickeln das Publikum um die Finger. Ihre Stimmen und der typische Gitarrensound sind einfach unverwechselbar. Immer gut, immer ’ne Bank! Sie warnen uns „auf euch kommt covermäßig ordentlich was eingeprasselt“ und machen es wahr…

Käfighaltung - es wird noch ein bisschen enger auf der Bühne, es tummeln sich jetzt sieben Musiker zwischen dem gesamten Instrumenten und –Verstärkergeraffel auf vielleicht 12 qm ….

Wild wild days ist die folgerichtig korrekte Eröffnung des überdosierten Wahnsinns! Der Klassiker kommt mit großer Kapelle richtig gut rüber. Volker bedient Lemontree als unverwechselbare auf jeder Welt identifizierbare Foolsgardennummer, Jens legt einen begnadeten Saxinettensound darunter, klingt wie ein Schlangenbeschwörer und das tun sie wirklich… aber wo ist Ole? Pausiert einen Moment, der Ärmste sieht arg mitgenommen aus, aber das Brenigadrenalin ist auch für ihn ein wirksames halte-durch-Hausmittel. Er schwingt sich auf zu I will follow, sein Hochamt, sein Statement, er treibt an, fordert die Jungs zum Duell. Das ist kaum zu toppen! Der Dorfsaal brodelt. Unfassbar! Kurzer Break auf der Bühne für ein neues hübsches!! Gesicht, der Dorfsaalamiliennachwuchs kommt zum Zug, wo besser geeignet als hier? Würzigs Junior übernimmt für einen Titel Oles Part, es ist glaube ich ein Stück von Oasis, sauber gemacht, sieht sehr cool aus! Zusammen mit Volkers Vocals kommt die Nummer im richtig schön gepflegten Dreigitarrensound satt rüber.

Sie schießen wirklich ein Brillantfeuerwerk ab, hochexplosive Raketen und Knaller an kurzer Zündschnur, es geht Schlag auf Schlag und alles mit Spielfreude hoch X und jeder Menge Spaß abgeschossen. Die Fünf haben einfach das Feeling füreinander. Der OnceAYear-Virus pumpt ein Quick-Kick von Brenigadrenalin bis in die Haarspitzen. DA habe ich ja nur drauf gewartet, ich erkläre den Ausnahmezustand. Don’t go away - wie Flummis hüpfen Ole, Jens und Frieder übermütig – wie können sie da noch spielen? - und Jens explodiert in einem grandiosen Sax bis zur Atemnot und Erschöpfung. Bhhhuuu, ohne Worte, und die perfekte Steilvorlage zum Betteln. Ihr wollt gar nicht aufhören, nicht jetzt, ihr tut nur so, kommt Jungs, zieht noch mal blank. Der rappelvolle Saal scheint fast zu bersten, ein weiterer Meilenstein in der Alte-Dorfsaal-Historie! Nein, nicht Shape of my heart, sondern mit Fields of Gold zollen sie heute Abend Sting ihre Achtung. Die Saxinette fährt die Magenwände runter wie flüssiges Gold und wer nie diese Töne gehört hat, weiß nicht wie es sich anfühlt, wenn die Knie langsam weich werden …. markerschütternd! ... eine Umarmung von Saxinette und Stimme. Ich fühle, dass es zu Ende geht mit diesem Abend, sie schleichen sich irgendwie so raus, tun so, also ob…. von wegen schleichen!!!! Das Beste zum Schluss, sie haben sich U2s Vertigo draufgeschafft! Jetzt werde ich zum Flummi, könnt’ bis an die Decke springen, mich daran besoffen hören! Kurz vorm Explodieren vor lauter…. lauter…. lauter… EndorphinAdrenalinGlückscocktail. Die Boys haben sich zu Recht die Lizenz erteilt! Das Tempo, die Hetze, das beinahe Stolpern, der Taumel, die ganze geballte Ladung des U2-Gitarren-Alarms, „I’m at a place called Vertigo“ schleudern sie uns mit aller Power entgegen, den dieser Kracher auf sie zurückwirft. Diese Wucht haut mir fast die Beine weg. Peter hat sich seiner Stimme entledigt und sich Bonos ausgeliehen, inkl. Haltung, Bewegung, die ganze Dynamik… einfach alles ist da – nur unmerklich kleiner - ein Triumph! Die Endhymne Hey Jude nimmt den gesamten Nachhall mit und führt mich langsam kontrolliert wieder in das hiesige Dasein zurück. Die Abschieds- und Verbeugungszeremonien sind wahren Helden würdig, Volker setzt die SoBri wieder auf und geht. Jahreshauptversammlung beendet.

Ein krönendes Sahnehäubchen zum Jahresende, ein Ritterschlag des weiß Gott nicht an Höhenpunkten armen Musikjahres! Eine berauschende Labsal für das hungrige Herz, Doping für den Jahresendspurt. Für Tommy, Danny, Ole und Jens gibt es als vorgezogene Bescherung unser Buch „erlebte musik“ als unser persönliches Dankeschön für unvergessliche Gigs im Alten Dorfsaal und u.a. einer Chronik der Hurricane-Tour. Ihre ehrliche Freude ist auch unsere Freude. Und auch heute wieder bietet die After-Show-Party ausreichend Zeit und Gelegenheit für wunderbare hochtieftrabende Gespräche. Chillouten vom Feinsten, ich werde es vermissen, … wie lange wohl? Ein ganzes Jahr lang? Ein tausendfaches Danke an die Dorfsaal-Crew! Maren hat übrigens wieder neue geschmackvolle Akzente gesetzt. Die neue Thekenbeleuchtung mit kunstvoll geschmiedeten Lampen sieht toll aus!

 

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de

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